Lodernde Begierde
dachte an die schöne, gierige, unmoralische und sehr, sehr reiche Lady Lilah Christie. Als Tochter eines Earls hatte sie den reichsten Mann geheiratet, den sie finden konnte, und ihn dann – so meinten zumindest einige – mit ihren Eskapaden in den Tod getrieben. Sie hatte genug Geld, um Edencourt zu retten, ganz zu schweigen davon, dass eine angesehene Familie eine große Hilfe war.
Er hatte sie noch nicht besucht, seit er den Titel erlangt hatte. Er redete sich ein, dass es daran lag, dass er so viel damit zu tun hatte, sich einen Überblick über die Nöte seines Herzogtums zu verschaffen. Aber die Wahrheit war, dass er nicht länger ein harmloses Spielzeug war, mit dem die Wölfin sich die Zeit vertreiben konnte. Er fürchtete, sie würde sich seiner jetzt ernstlich annehmen.
Lilah war auf der Suche nach einem neuen Ehemann, auch wenn ihr letzter erst vor Kurzem verstorben war. Und dieses Mal, das wusste jeder, war sie auf der Jagd nach einem Titel.
Graham unterdrückte einen unerklärlichen Schauder. Vielleicht war er auch nicht allzu unerklärlich. Auch wenn er erst vor wenigen Wochen aus ihrem Bett gestiegen war, so konnte er sich doch nicht vorstellen, sie mit nach Hause nach Edencourt zu nehmen, damit sie die Mutter seiner Brut wurde. Ganz zu schweigen davon, dass er nie sicher sein könnte, dass besagte Brut tatsächlich seine wäre.
Gott, Lilah war keine Lösung. Er sollte nicht zulassen, dass seine Abneigung, eine Fremde zu heiraten, ihn dazu trieb, Edencourt mit Lilah zu strafen. Der Ruf seiner Familie war besudelt genug, herzlichen Dank.
Nein, er würde eine farblose und anständige Jungfer finden, wahrscheinlich aus einer der wohlhabenden Kaufmannsfamilien, die danach lechzten, Zugang in die besseren Kreise zu erhalten. Sie wäre ihm dann wenigstens dankbar für den Titel. Erben würden zur Welt kommen – er zog es vor, sich nicht vorzustellen, wie sie entstehen würden – und seine Leute wären gerettet, zumindest für eine Generation.
Möglicherweise wäre es gar keine schlechte Idee, ein wenig Geschäftssinn in die Familie zu züchten, wenn man bedachte, wie sein Vater und Großvater sich verhalten hatten.
Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Bräute, Babys, Business – drei Dinge, von denen er noch vor einer Woche angenommen hatte, dass er sich nie Gedanken darüber machen müsste.
Vor der Tür zum Salon zögerte Sophie mit der Hand auf der Klinke. Sie wollte ihn unbedingt sehen … aber wäre es nicht besser, wenn er sie erst wieder zu Gesicht bekäme, wenn ihre Verwandlung perfekt war? Wäre es nicht besser – wäre es nicht wunderbar? –, wenn Graham sie erst wieder als die prachtvoll gekleidete Miss Sofia sähe?
Sie presste die Handteller auf die Magengrube und wich einen Schritt zurück. Ihre Fingerspitzen zuckten vor Sehnsucht. Wäre es nicht wirklich perfekt, wenn er sie zum ersten Mal sähe, wenn sie eine Maske trüge? Was mochte geschehen, wenn sie ihn noch einmal zum ersten Mal treffen könnte?
Als eine Schönheit.
Bei dem Gedanken stockte ihr der Atem. Natürlich tat sie das alles hier nicht um Grahams willen. Sie hatte fest vor, eine angemessene, stabile und hoffentlich nicht zu langweilige Stellung als Ehefrau zu erlangen … als Ehefrau eines anderen Mannes.
Sie drehte sich eilig um und stolperte fast in Fortescue. »Oh! Fortescue, würdet Ihr bitte Graha … Seiner Gnaden ausrichten, dass ich im Augenblick nicht zu sprechen bin? Aber fragt ihn bitte, ob er vorhat, den Maskenball bei den Waverlys heute Abend zu besuchen. Lasst ihn aber bloß nicht wissen, dass ich das wissen möchte. Und wenn er nicht vorhat, dorthin zu gehen, dann versucht, ihn dazu zu bringen, es doch zu tun. Aber sagt ihm nicht, dass ich hingehe. Seid einfach … unverbindlich, geht das?«
Fortescue schaute sie ungerührt an, auch wenn sie allem Anschein nach vollkommen verrückt sein musste. »Gewiss, Miss. Gibt es noch etwas, das ich an seine Gnaden weitergeben soll?«
Bitte ihn, etwas Blaues zu tragen.
Nein, das war albern. Nur …
»Bitte macht eine Bemerkung, dass ihm Blau besonders gut steht.«
Zum ersten Mal bemerkte Sophie einen Anflug von Rebellion im Gesichtsausdruck des Butlers. »Äh … ja.« Sie zuckte entschuldigend die Schultern. »Ich nehme an, es gibt keinen Weg, ihm das auch nur annähernd angemessen mitzuteilen.«
»Ich werde es tun, wenn Ihr darauf besteht, Miss, aber ich denke, wenn ich seinem Kammerdiener einen kleinen Hinweis geben könnte …«
Sophie lächelte.
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