Lodernde Begierde
Gedanken setzte er sich wieder in den Sessel und machte es sich unbewusst und mühelos in dessen Größe und Pracht bequem.
Äcker, Gehölze, Wälder – das nackte Gerippe von Edencourt. Verfallende Mühlen, heruntergekommene Stallungen, verrottende Silos – die schmuddelige Kleidung des sterbenden Anwesens. Die Bauern – sein schlagendes Herz, das von Minute zu Minute schwächer wurde.
Um sie zu retten, würde er ein Pferd heiraten, wenn es denn sehr reich wäre. Wenn seine Braut nur aussehen und wiehern würde wie ein Pferd, könnte er sich glücklich schätzen.
Die Wörter und Zahlen vor seinen Augen begannen zu verschwimmen. Er schüttelte den Kopf und stieß sich vom Schreibtisch ab. Es war nicht möglich, in wenigen Tagen zu lernen, wofür er ein ganzes Leben hätte aufwenden müssen. Das Beste, was er jetzt für Edencourt tun konnte war, sich ein wenig auszuruhen, um sich morgen Abend mit glänzenden Augen mit Körper, Seele und Titel auf dem Auktionsblock der guten Gesellschaft ersteigern zu lassen.
Er schaute auf die Uhr. Oder vielmehr heute Abend. Es war erstaunlich, wie sehr es ihn störte, eine lieblose Vernunftehe in Erwägung ziehen zu müssen. Merkwürdig. Es war ihm nie aufgefallen, dass er ein solcher Romantiker war.
Der Himmel draußen vor dem Spitzbogenfenster hellte sich bereits auf. Eine weitere schlaflose Nacht. Er sollte wirklich zu Bett gehen, sonst würde er jede potenzielle Erbin in die Flucht schlagen. Doch stattdessen erhob er sich und verließ das Studierzimmer, schnappte sich Handschuhe und Hut vom Tisch in der Empfangshalle und trat in das frühe Morgenlicht hinaus.
Ohne darüber nachzudenken, erlaubte Graham seinen Schritten, sich in Richtung von Brook House zu bewegen.
Graham war nicht der Einzige, der eine schlaflose Nacht hinter sich hatte.
In ihrem Schlafgemach in Brook House beugte sich Sophie vor und betrachtete ihr Spiegelbild in dem Frisierspiegel. Sie würde dafür bezahlen müssen, wenn Lementeur die Ringe unter ihren Augen sah, aber sie hatte sie einfach die ganze Nacht nicht schließen können.
Hinter ihr tanzte Patricia fast vor Aufregung, als sie das Kleid für »Sofias« Debüt hereinbrachte. »Oh, Miss. Es ist so elegant. Ihr werdet wunderschön aussehen, wirklich.«
Sophie stand da, sie wünschte sich nichts sehnlicher, als zu sehen, was da heute Morgen angekommen war, aber sie wagte kaum hinzuschauen. Wenn es nun ein normales Kleid war oder das Ergebnis nicht wirklich magisch ausfallen würde, vielleicht war sie tatsächlich ein hoffnungsloser Fall … aber sie war noch nicht bereit, es sich einzugestehen.
Sie holte tief Luft und drehte sich um.
Ein kräftiges Klopfen an der Schlafzimmertür unterbrach sie. Patricia, die nicht bemerkt hatte, dass Sophie das Kleid noch nicht gesehen hatte, setzte ihren Weg zum Schrank fort, um das Kleid wegzuhängen. Hin- und hergerissen, zögerte Sophie. Patricia eilte zur Tür.
Fortescue stand draußen und schaute höflich ins Leere, jedenfalls nicht in das Zimmer. »Verzeiht, Miss Blake, aber der Herzog von Edencourt wünscht, Euch zu sprechen.«
Der Herzog von … ach so, ja. Graham.
Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. Da sie jetzt erkannte hatte, wie tief ihre Zuneigung war, wusste sie auch, dass es eine ganz schlechte Idee war, noch mehr Zeit mit Graham zu verbringen. Sie hatte nicht vorgehabt, ihn heute zu treffen, aber da er nun schon einmal da war …
Nun, es wäre extrem unhöflich, ihn nicht zu empfangen. Schließlich hatte sie ihm nicht gesagt, er solle nicht wiederkommen. Er würde es nicht verstehen, wenn sie ihn wieder abwies.
Er ist kein Kleinkind. Lass Fortescue das übernehmen. Dein Herz ist einfach zu dumm.
Nein, empfang ihn. Bald ist er verheiratet, dann wirst du dir Vorwürfe machen, dass du diese letzten Wochen mit ihm versäumt hast.
Gut, sie würde ihn empfangen, aber sie würde keinen Augenblick darauf verwenden, die Situation für ihn angenehm zu machen. Oder darauf, gut auszusehen. Auch wenn ihr Haar eine einzige Katastrophe war, was sie inzwischen dank Lementeur bemerkte.
Etwas in ihrem Innern schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Schon gut, dann geh! Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.
Ihre Vernunft schwand und wurde von der albernen Erregung darüber, dass Graham sie sehen wollte, endgültig zum Schweigen gebracht. »Patricia, mein Haar!«
Unten im Salon hatte Graham dem Zimmer den Rücken zugewandt und starrte mit blindem Blick auf den großen Platz hinaus. Er
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