Lodernde Träume
vorgestellt hatte. Statt dessen saß Lucinda jetzt einem Häufchen Elend gegenüber, und das überraschte sie völlig.
Sie und die neue Herzogin von Wrothston hatten sich heute Morgen in dem offiziellen Empfangssalon getroffen, einem großen Raum, in dem Devlin normalerweise seine privaten Geschäfte erledigte und der genau in der Mitte zwischen seiner Suite und der seiner Frau lag.
Megan war am Anfang der Unterhaltung aus verständlichen Gründen etwas zurückhaltend, doch dann kamen sie auf ihre erste Begegnung vor sechs Jahren zu sprechen. Bei diesem Thema taute Megan ein wenig auf und zeigte etwas von der ihr ureigenen Quirligkeit, an die sich die ältere Dame so gut erinnern konnte, Doch sie sah auch sofort die große Traurigkeit, die das Mädchen nur mühsam verbergen konnte. Und so hatte sie ihr die gleiche Frage gestellt wie gestern Abend ihrem Enkel. Dass sie haargenau die gleiche Antwort bekäme, hatte sie wirklich nicht erwartet.
Herzensangelegenheiten erforderten äußerste Behutsamkeit, und daher fragte Lucinda so einfühlsam wie möglich: »Und warum glauben Sie das?«
»Wenn ein Mann eine Frau liebt, dann würde er ihr das doch sagen, oder?« antwortete Megan.
»Ja, das müsste er natürlich wirklich tun.«
»Nun ja, und Devlin hat mir lediglich gesagt, dass ich sein Leben ruiniert hätte. Wissen Sie, er wollte mich ja erst gar nicht heiraten. Er hat alles in Bewegung gesetzt, um mich von dieser Idee abzubringen.«
»Welcher Idee?« fragte Lucinda. »Dann hatten Sie sich also schon entschieden, dass sie ihn heiraten wollten?«
»Nicht ihn, sondern den Herzog.«
»Aber er ist doch der Herzog, mein Kind!«
»Heute weiß ich das natürlich, aber damals, als ich ihn heiratete, wusste ich das noch nicht.«
»Wen dachten Sie denn sonst, dass Sie heiraten würden?«
»Einen Pferdezüchter. Wusste n Sie nicht, dass er sich als Pferdezüchter ausgegeben hat?«
»Ursprünglich sollte er ein Stalljunge sein, aber das tut ja jetzt nichts mehr zur Sache. Aber hat es Ihnen denn nicht auch ein ganz klein biss chen gefallen, dass Sie am Schluss nicht einen Pferdezüchter, sondern einen Herzog geheiratet hatten?«
»Gefallen?« rief Megan aus. »Er hat mich hintergangen, verdammt noch mal. Ich habe getobt... Oh, entschuldigen Sie vielmals, Euer Gnaden.«
»Ach, das macht doch nichts, Kleine, wir sind doch jetzt eine Familie. Nennen Sie mich einfach >Duchy< und sprechen Sie frei von der Leber weg!« Dann beugte sie sich ein wenig vor und flüsterte: »Es passiert mir auch immer wieder mal, dass ich fluche. Natürlich nicht in der Öffentlichkeit. Sie verstehen, da könnte mich ja mein penibler Enkel hören. Er denkt, dass ich unfehlbar bin, und das ist auch gut so. Ich kann ihn ja schlecht für seine Flüche rügen, wenn er weiß, dass ich das gleiche tue, oder?«
Megan schüttelte den Kopf und grinste. Und in diesem Moment wurden sie Freundinnen. »Wenn ich das nur vorher gewusst hätte! Aber andererseits tut Devlin nichts lieber, als sich über mein schlechtes Benehmen zu beschweren, und da würde ich ihm ja den ganzen Spaß verderben, wenn ich mich wirklich bessern würde.«
Lucinda lachte schallend. »Sie sind genau die Richtige für diesen Jungen«, sagte sie im Brustton der Überzeugung. » Irgendjemand muss diesen Langeweiler ja mal ein biss chen aus der Reserve locken.«
»Da ist er aber, glaube ich, ganz anderer Meinung«, entgegnete Megan, und mit einem Mal kam wieder diese verlorene Traurigkeit in ihre Augen.
»Sind Sie ihm immer noch böse, dass er ein Herzog und kein Pferdezüchter ist?«
»Ja ... nein ... ach, ich weiß nicht«, seufzte Megan.
»Er meint, dass Ihnen der Titel gefällt - ganz abgesehen von seinen Ställen.«
Megan verzog das Gesicht. »Da sieht man wieder, dass er mich einfach nicht versteht. Ich habe ihm doch nur deshalb gesagt, dass ich Ambrose St. James heiraten würde, weil ich damit bei ihm Eindruck schinden wollte. Ich dachte, dass er dann endlich ein wenig Respekt vor mir hätte und mit diesen verletzenden Beleidigungen aufhören würde, die ich seit dem ersten Tag unserer Begegnung von ihm zu hören bekommen habe. Es hat natürlich nicht den geringsten Eindruck auf ihn gemacht. Als er wissen wollte, warum ich es gerade auf den Herzog von Wrothston abgesehen hatte, habe ich ihm natürlich nicht den wahren Grund gesagt - das ging ihn ja nichts an -, sondern geantwortet, dass mir das Gestüt des Herzogs so gut gefiele, einfach nur so, um ihn von dem Thema
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