Loderne Glut
die abgerissenen Hopfenranken, mit denen man den Wagen getarnt hatte, und standen jetzt da und starrten ihn an. »Kannst du ihn starten?« fragte Reva.
»Ich hoffe es«, sagte Amanda. »Nein, ich werde das Ding starten.« Sie ging im Geist noch einmal jeden Handgriff durch, den sie Hank vollführen sah, wenn er den Motor anließ. Sie zog am Zündgeber und an der Drosselklappe, rannte vorne zum Kühler und drehte an der Kurbel. Sie mußte es viermal versuchen, ehe der Motor ansprang, und dann mußte sie sich mit den Gängen befassen. Die Kupplung ging verdammt schwer, die Lenkung noch schwerer, so daß sie glaubte, ihre Arme müßten sich aus den Schultergelenken lösen, als sie am Lenkrad kurbelte. Und als sie die Bremsen bediente, reagierte der Wagen nicht. Sie walzte sechs Hopfenstangen samt Hopfenranken platt, ehe der Wagen stand.
»Amanda, ich glaube nicht, daß du . . .«, protestierte Grace ängstlich.
»Ich habe ihn jetzt im Griff«, versicherte Amanda und legte den Rückwärtsgang ein. »Ich komme, so schnell ich kann, wieder zurück.« Sie hatte nicht damit gerechnet, daß die Lenkung seitenverkehrt arbeitete, wenn sie den Wagen im Rückwärtsgang bewegte, und sie mähte noch mehr Hopfenstauden um, ehe sie die Straße erreichte. Sie winkte Reva und ihrer Mutter noch einmal zu und fuhr dann nach Osten, indem sie den Gashebel bis zum Boden durchtrat.
Sowohl Hank wie Taylor hatten ihr versichert, daß sie eine lernfähige Schülerin sei; aber sie hatte noch nie etwas so schnell gelernt wie das Autofahren. Nach einer Viertelstunde hatte sie bereits das Gefühl, daß sie hinter dem Lenkrad geboren wäre. Sie war eine so aufmerksame Beifahrerin gewesen, daß sie sich jede Handbewegung, die Hank beim Fahren verrichtete, genau eingeprägt hatte. Und sie konnte am Geräusch des Motors hören, wann sie schalten mußte.
Es war jetzt mitten in der Nacht, und auf der breiten Lehmstraße, die in die Berge hinaufführte, herrschte kein Verkehr. Sie ließ den Wagen in schnellstem Tempo laufen, und der Wind fegte durch ihr Haar. Die Geschwindigkeit des Wagens und ihre Fähigkeit, so eine kräftige Maschine beherrschen zu können, gaben ihr ein Gefühl von Macht.
Sie erlebte nur einen gefährlichen Moment auf dieser Fahrt, und zwar kurz nach Sonnenaufgang, als zwei Bauern beschlossen, mit ihren Fuhrwerken mitten auf der Straße stehenzubleiben und einen kleinen Morgenplausch zu halten. Amanda bewahrte einen kühlen Kopf, schätzte erst die ungefähre Breite der Straße ab, dann den Weg, den sie brauchte, um den Wagen zum Stehen zu bringen, und wußte, im Bruchteil einer Sekunde, daß sie eines der Fuhrwerke umpflügen würde, wenn sie zu bremsen versuchte. Also zog sie eine rasche, saubere Kurve nach links, so daß sie mit der Breitseite auf die Fuhrwerke zuschlitterte.
Die beiden Farmer unterbrachen ihren Plausch einen kurzen Moment, um sich umzudrehen und das hübsche Mädchen in dem gelben Wagen auf sich zukommen zu sehen, wobei die Nase des Automobils auf den Zaun am Straßenrand gerichtet war und Kies und Sand in großen Fontänen nach allen Seiten spritzte. Das eine Paar Pferde ging fast durch, aber der Farmer, dem sie gehörten, bändigte sie mit straffem Zügel.
Als der Wagen zu rutschen aufhörte, befand sich Amanda fast unter dem Bauch zweier Pferde, von denen das eine wild die Augen rollte, das andere zu verschreckt war, um sich bewegen zu können. Die drei Menschen auf der Straße waren sprachlos. Amanda fing sich zuerst. Ihr Herz hämmerte laut, aber sie war schrecklich stolz darauf, daß sie einen Zusammenstoß verhindert hatte.
»Guten Morgen«, begrüßte sie die Farmer. Eine welkende Hopfenranke lag auf dem Beifahrersitz, und sie bot es dem Pferd an, dessen Kopf direkt über ihr war. Das Tier begann die Ranke zu verzehren und beruhigte sich wieder.
Die beiden Farmer halfen Amanda, den Wagen wieder auf die Straße zu schieben, und wünschten ihr Glück. Sie winkte ihnen kurz zu und gab schon wieder Gas.
Sie mußte einmal nachtanken, und dann ging es hinauf in die Berge. Sie betete, daß Whitey sie nicht belogen hatte, was Hanks Aufenthalt betraf, und je näher sie dem Ziel kam, um so größer wurde ihre Sorge. Als sie die ihr beschriebene Berghütte erreichte, deren Dach halb eingestürzt war, war sie schon aus dem Wagen, ehe er richtig zum Stehen kam. Sie zog die schwere Handbremse an, schob einen dicken Stein hinter ein Hinterrad und rannte auf die Hütte zu.
Sie war leer. Einen Moment lang
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