Loderne Glut
erzählt?«
»Mein Vater war sehr stolz auf seine Frau.«
Hank sah zu, wie sie stumm, mit gebeugtem Kopf, weiteraß. Demnach hatte J. Harker also eine Frau geheiratet, die er für rein, unschuldig und blaublütig hielt, um später zu entdecken, daß sie Temperament und Persönlichkeit besaß -und vermutlich genauso gute Beine wie ihre Tochter hatte, ' setzte er in Gedanken hinzu und lächelte.
»Dr. Montgomery, ich glaube nicht, daß dies eine Angelegenheit ist, die zur Heiterkeit Anlaß gibt.«
»Also hat Ihr Vater vor allen Leuten damit geprahlt, daß seine Frau besser sei als jeder andere, um später herauszufinden, daß sie eine Tänzerin gewesen war, die, möchte ich hinzufügen, sich Zudringlichkeiten von jungen Männern nicht gefallen lassen wollte. Damit hatte sie die ganze Stadt gegen sich, nicht wahr? Ich möchte wetten, die Leute waren froh, daß sie jemanden verachten konnten, von dem sie befürchtet hatten, er würde sie sonst zuerst verachten. Was hat Ihre Mutter dann getan?«
Amanda hatte noch nie daran gedacht, daß die Stadt im Unrecht sein könnte - sie hatte nur das skandalöse Verhalten ihrer Mutter verurteilt. Sie war mit achtzehn Jahren ihrer Familie davongelaufen, nachdem man sie mit einem Mann verlobt hatte, der fünfzehn Jahre älter war als sie, und ihr Vater hatte sie zwei volle Jahre nicht wiederfinden können. In dieser Zeit hatte sich Grace mit einer Anstellung in einem Varietetheater in San Francisco durchgebracht, indem sie mit sieben anderen jungen Damen Ballett tanzte. Graces Vater hatte sie gewaltsam in sein Haus zurückgebracht, und ein halbes Jahr später war sie mit. J.Harker Caulden verheiratet-einem Mann, der keineswegs den gleichen gesellschaftlichen Hintergrund wie Grace hatte; aber Graces Vater meinte, nur der soziale Hefesatz sei noch gut genug für so eine gefallene Frau wie Grace.
»Meine Mutter blieb mit mir zu Hause«, antwortete Amanda. »Wir zogen zusammen Puppen an, und sie las mir Geschichten vor, ließ mich ihren Schmuck anprobieren und . . .« Sie stockte, weil ihr weh wurde ums Herz bei diesen Worten. Sie erinnerte sich an den einschmeichelnden Duft, den ihre Mutter verströmte, an ihre Gutenachtküsse, an die Zeiten, in denen sie aus einem bösen Traum erwachte und ihre Mutter zu ihr gekommen war und sie in ihre Arme genommen hatte.
»Dann trat Taylor Driscoll in Ihr Leben und behauptete, Ihre Mutter hätte einen schlechten Einfluß auf Sie, und das hat Sie dazu veranlaßt, sich von Ihrer Mutter fernzuhalten, richtig?«
»Ja«, antwortete sie leise. Sie war mit ihren Gedanken noch immer bei ihrer Mutter.
»Ich vermute, sie hat Ihnen geraten, als Tänzerin im Variete aufzutreten«, sagte Hank. »Hat sie Ihnen ihr Trikot angezogen, Ihnen Geschichten aus ihrem Leben als Tänzerin erzählt, in Ihnen die Lust geweckt, im Theater aufzutreten?«
»Sie hat mir niemals etwas von ihrer Bühnenzeit erzählt. Und ganz gewiß hat sie mich nicht dazu ermuntert, von zu Hause wegzulaufen, wie sie es getan hat.«
»Dann verraten Sie mir mal, Miß Caulden«, sagte Hank leise, »wieso Ihre Mutter einen schlechten Einfluß auf Sie ausgeübt haben soll.«
Kapitel Neun
Ich möchte nicht mehr über meine Mutter sprechen, Dr. Montgomery«, sagte Amanda streng.
Hank sah sie eindringlich an. »Das kann ich Ihnen nicht verübeln. Sie muß schon eine schreckliche Person sein. Dann wollen wir uns einem angenehmeren Thema zuwenden. Zum Beispiel, wann Sie Hochzeit feiern werden.«
»Bald«, behauptete sie und verputzte den Rest auf ihrem Teller.
»Torte?« fragte er. »Oder haben Sie davon schon genug gehabt?« setzte er augenzwinkernd hinzu.
Amanda hätte die Torte, die er ihr anbot, eigentlich ablehnen müssen, aber sie tat es nicht.
»Lassen Sie uns über so unverfängliche Dinge reden wie die Liebe«, sagte er. »Über Ihre Verlobungszeit und Ihre Hochzeitsnacht mit unserem Freund Taylor.«
Sie erstickte fast an ihrem Bissen.
»Limonade?« fragte er scheinheilig und hielt ihr ein Glas hin. »Vermutlich wissen Sie ja gründlich über solche Sachen wie Sex Bescheid, da Sie ja eine Mutter mit entsprechendem Vorleben haben und überhaupt so viel studieren. Sagen Sie - hat Taylor auf seinen täglichen Stundenplänen auch praktische Übungen in der Kunst der Liebe vorgesehen? Oder macht er so etwas spontan?«
»Er macht nichts . ..«, erwiderte sie gereizt und hielt mitten im Satz inne. »Taylor ist ein Gentleman.«
»Ich bin überzeugt, das wird er auch in Ihrer
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