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Loderne Glut

Titel: Loderne Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Wäldchen, als sie mit diesem schrecklichen Mann allein gewesen war, hatte sie sich in eine andere Person verwandelt - in eine wagemutige, aufbegehrende junge Frau, die mit der wirklichen Amanda so gar nichts gemein hatte.
    Sie blickte sich in ihrem tadellos aufgeräumten, farblosnüchternen Zimmer um und wußte, daß dies zur echten Amanda gehörte. Sie ging zum Schreibtisch und nahm dort den letzten von Taylor ausgefertigten Stundenplan zur Hand: Sie war bereits mit dem nächsten Kursus in Verzug, und sobald sie das Papier mit den Händen berührte, spürte sie, wie die Macht, die Taylor über sie besaß, zurückkehrte.
    Sie ließ sich schwerfällig auf ihren Stuhl sinken. Was in aller Welt hatte sie getan? Sie sollte Taylor herausfordern?
    Sich ihm auf unschickliche Weise nähern? Eher würde sie mit nackten Füßen über glühende Kohlen gehen!
    Aber wenn sie nichts in dieser Richtung unternahm, würde sie mit Dr. Montgomery zum Tanzen gehen müssen. Natürlich konnte sie Dr. Montgomery immer noch sagen, das Ganze sei nur ein Scherz gewesen, worauf er sie dann, so zivilisiert wie er war, zweifellos über seine Schulter werfen und zur Haustür hinaustragen würde. Und das wiederum mußte zu einem unheilbaren Bruch der Beziehung zwischen ihr und Taylor führen.
    Sie stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte und barg das Gesicht in den Händen. Was in aller Welt hatte sie nur verbrochen? Womit hatte sie sich diesen Fluch in Gestalt von Dr. Montgomery verdient? Gott schickte den Ägyptern die zwölf Plagen, und ihr schickte er diesen Dr. Montgomery. Hiob hätte sogar aufgegeben, wenn er es mit diesem Mann zu tun gehabt hätte.
    Sie öffnete die Augen und las noch einmal ihren Stundenplan. Sie war verspätet mit Dr. Montgomery von ihrem Museumsbesuch zurückgekommen und sollte sich in diesem Augenblick über den Krieg zwischen Griechen und Bulgaren informieren, so daß sie beim Dinner heute abend mit Taylor darüber debattieren konnte - falls sie zur Dinnerzeit noch am Leben war. Taylor würde sie möglicherweise umbringen, wenn sie tat, wozu Dr. Montgomery sie auf heimtückische Weise verpflichtet hatte.
    Wenn da nur jemand gewesen wäre, mit dem sie reden könnte. Wie verleitete man einen Mann wie Taylor zu einer leidenschaftlichen Handlung? Bei Dr. Montgomery schien es zu genügen, daß man ein, zwei Sekunden lang an einer Stelle verharrte, und schon war er in Glut. Amandas Gedanken glitten zu dem Schauplatz dieses Nachmittags zurück. Die laue Luft, der Gesang der Vögel, die appetitlichen Leckereien, Dr. Montgomerys Lippen und Hände - das alles schien zu einer einzigen köstlich langen Empfindung zusammenzufließen.
    Nein, sagte sie sich, hör auf, an so etwas zu denken! Dr. Montgomery ist ein anmaßender, ungehobelter Mensch -ein Mann der Unterklasse, der es nicht verdient, Taylor die Stiefel zu putzen. Aber er brachte es tatsächlich fertig, ihre Gefühl zu . . .
    Mutter, dachte sie plötzlich. Ihre Mutter würde wissen, was hier zu tun war.
    Und ohne noch einmal darüber nachzudenken, was sie genau vorhatte, verließ Amanda ihr Zimmer, ging den Korridor hinunter und klopfte an die Tür des Zimmers, in dem Grace Caulden nun lebte.
    »Kommen Sie herein, Martha«, rief Grace, in der Meinung, ihr Zimmermädchen stünde draußen.
    Amanda öffnete die Tür und spürte, wie ihr Herz klopfte, als wäre sie im Begriff, eine Sünde zu begehen. Ihre Mutter saß mit dem Rücken zu ihr an einem kleinen Schreibtisch, und der Stift, den sie in der Hand hielt, glitt rasch über ein Stück Papier. Amanda hatte in den letzten paar Jahren ihre Mutter natürlich gesehen, jedoch stets die Augen abgewendet, wenn sie sich begegneten. Taylor konnte sehr böse werden, wenn er sie dabei ertappte, wie sie mit ihrer Mutter redete.
    »Ich bin’s«, flüsterte Amanda.
    Grace drehte sich auf ihrem Stuhl herum, und ihre Augen schienen ihre Tochter zu verschlingen; aber sie rührte sich nicht. Es war nicht leicht, das Verlangen, Amanda in die Arme zu schließen, zu unterdrücken.
    »Etwas ist passiert«, stellte Grace mit einer sanften, sorgfältig artikulierenden Stimme fest. Sie war so hübsch wie ihre Tochter mit ihren dunklen Haaren und Augen; aber da war keine Traurigkeit in ihrem Blick. Für eine Frau, die praktisch von ihrer eigenen Familie geächtet wurde, wirkte sie bemerkenswert heiter.
    Amanda empfand schreckliche Gewissensbisse, weil sie sich im Zimmer ihrer Mutter befand, hatte jedoch gleichzeitig ein so gutes Gefühl dabei.

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