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Loderne Glut

Titel: Loderne Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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so, daß es mir zuweilen schwerfällt, dich schon als Erwachsene zu betrachten. Ich neige noch immer dazu, in dir das schlaksige Mädchen von damals zu sehen, als wir uns kennenlernten.«
    Amanda begann sich ein wenig zu entspannen. Das machte Sinn. Vielleicht wirkte sie doch nicht so abstoßend auf ihn, wie sie das gestern abend hatte annehmen müssen.
    »Wenn ich darf?« sagte er und streckte ihr die Arme entgegen.
    Amanda zögerte; aber dann ging sie zu ihm und legte ihre Wange an seine Brust. Er war dünn, sie konnte sein Herz klopfen hören, und sogleich begann sie ihn mit Dr. Montgomery zu vergleichen. Dr. Montgomery war größer, kräftiger, seine Arme und sein Körper schienen sie zu umwickeln, und inzwischen wären seine Hände schon überall an ihrem Körper gewesen, seine Lippen in ihren Haaren und an ihrem Hals auf dem Weg nach unten.
    Taylor schob sie ein wenig weg, um sie zu betrachten. Dann preßte er seine Lippen auf die ihren.
    Nichts, dachte sie. Ich empfinde absolut nichts. Ich spüre weder Wärme noch Interesse, noch eine Neigung, irgend etwas darüber hinaus zu tun. Ich könnte ebensogut eine Statue küssen.
    Taylor zog sich von ihr zurück, um sie zu mustern. »Also - überzeugt dich das, daß ich dich will und nicht die Ranch?«
    Sie nickte mit einem kleinen Lächeln. Was stimmte nur nicht mit ihr? Dies war Taylor — der Mann, den sie liebte. Vielleicht würde sie bei einem erneuten Versuch, ihn zu küssen, etwas empfinden. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hob das Gesicht zu ihm empor; aber Taylor zuckte zurück und quittierte ihre Bemühung mit einem, wie ihr dünkte, empörenden kleinen Kichern.
    »Ich denke, das war genug für den Anfang, meinst du nicht auch?« Er ließ die Arme von ihren Schultern herabfallen. »Zu viel Aufregung könnte dich um deinen Schlaf bringen.«
    Der Zorn stieg in Amanda hoch, so daß sie nicht sprechen konnte — obwohl sie ihm gern gesagt hätte, daß seine Küsse wahrlich nicht aufregend waren.
    »Und jetzt, Amanda, ist es Zeit für dich, zu Bett zu gehen. Morgen ist wieder ein Werktag, und eine Prüfung in Geschichte steht auf deinem Stundenplan. Ich hoffe doch, daß du dich darauf vorbereitet hast. Morgen haben wir vielleicht Gelegenheit, weiter über unsere Hochzeit zu reden.« Er lächelte sie an und legte dann die Fingerspitze auf ihre Nase. »Und wenn du ein braves Mädchen bist, gibt es möglicherweise noch mehr Küsse. Sobald die Hopfenernte eingebracht ist, werden wir mit der Planung unserer Hochzeit beginnen. Das sollte dich zum Lächeln bringen.«
    Amanda wagte nun wirklich nicht mehr, den Mund aufzumachen, weil sie Angst hatte, daß etwas Unpassendes entschlüpfen könnte. Nun war es Taylor, der sie für dumm verkaufen wollte. Verwandelten sich denn alle Männer an irgendeinem Punkt in gönnerhafte, anmaßende Besserwisser? Jeder Mann schien überzeugt zu sein, genau zu wissen, was richtig für sie war. Ihr Vater nahm sie aus der Schule und behielt sie im Haus unter der Aufsicht eines Privatlehrers. Ihr Privatlehrer nahm sie ihrer Mutter weg und erstellte für sie genaue Tagespläne. Dann kam Dr. Montgomery, zwang sie dazu, ihren Studienplan aufzugeben und mit der Völlerei zu beginnen.
    »Ja, ich gehe jetzt ins Bett«, sagte Amanda und drehte sich rasch um, bevor sie so etwas Furchtbares sagte wie: »Willst du in Zukunft meine Arbeiten mit Küssen benoten? Wirst du zu mir sagen: >Du hast vier Fragen über den schottischen Feldzug von Edward dem Ersten nicht beantwortet; also gibt es heute keinen Kuß, Amanda !    Sobald sie auf ihrem Zimmer war, brach sie in Tränen aus. Sie zog so lange an ihrem Verlobungsring, bis er sich von ihrem Finger löste, und warf ihn auf den Nachttisch. Dann fiel sie der Länge nach auf ihr Bett und weinte verzweifelt. Alles in ihrem Leben war durcheinandergeraten. Vor einem Monat noch hatte sie genau gewußt, was sie sich vom Leben erwartete. Sie hatte sich Taylor gewünscht und nichts sonst. Aber dann hatte sie Dr. Montgomery kennengelemt, und nichts schien mehr so zu sein wie früher. Sie war mit nichts mehr zufrieden. An die Stelle ihrer Überzeugung, sie würde mit ihren Studien ihre Bildung ständig erweitern, hatte Dr. Montgomery das Gefühl gesetzt, sie wäre nichts als ein zu alt gewordenes Schulmädchen.
    Gegen Mitternacht stand sie vom Bett auf, zog ihr Nachthemd an und schlüpfte unter die Decke; aber sie fand nur wenig Schlaf. Wenn sie nur eine Vorstellung gehabt hätte, was sie tun sollte! Wenn

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