Loderne Glut
und spähte durch die Scheibe. Er sieht ziemlich gut aus, dachte Reva, und sie mußte widerwillig Amanda einen guten Geschmack bescheinigen, was Männer betraf.
Rasch überquerte Reva nun die Straße. »Heute ist Sonntag«, rief sie, und der Mann drehte sich um und sah sie an. Reva spürte, daß ihr ein kleiner kalter Schauer über den Rücken lief. Er war ein hochmütig aussehender Mann, und er machte den Eindruck, als hätte er einen Rücken aus Stahl und nicht aus Fleisch und Blut. Aber da war noch etwas anderes, das Reva als Verwandtschaft im Geist erkannte. Er wirkte nach außen hin kühl; aber sie vermutete, daß unter dieser frostigen Schale die Leidenschaft glühte. Er bemühte sich nach Kräften, auf sie herabzusehen - auf ihre rotgeschminkten Lippen und den glitzernden Türkisring, den sie trug; aber sie spürte sein Interesse an ihr. Würde es Amanda nicht verdienen, daß ihr Freund mit ihr fremdging?
»Es ist Sonntag, und deshalb hat der Laden geschlossen«, erklärte Reva abermals.
»Ja, natürlich«, murmelte Taylor und sah von dieser Frau weg, die in ihm ein seltsames Gefühl auslöste. Er machte sich auf den Weg zum Wagen.
»Mr. Robbins wohnt nur eine Straße weiter, und inzwischen muß er bereits vom Gottesdienst nach Hause gekommen sein. Ich könnte Sie zu ihm bringen, und vielleicht sperrt er dann den Laden auf.« Reva sah zu ihm hoch. »Natürlich nur dann, wenn Sie etwas Wichtiges kaufen wollen - einen Verlobungring mit einem Diamanten etwa, um nur ein Beispiel zu nennen.« Sie hatte bemerkt, daß Amanda keinen Ring trug, und es machte Sinn, daß er ihr nun sein Brandzeichen aufdrücken wollte nach dem Zustand, in dem Amanda gestern nacht nach Hause gekommen war. Reva sah ein Zucken in diesen dunklen Augen und wußte, daß sie ins Schwarze getroffen hatte.
»Wenn Sie mir nur den Weg dorthin beschreiben wollten«, bat Taylor.
»Nein, wir gehen gemeinsam zu ihm. Geben Sie Ihrem Chauffeur für den Rest des Tages frei. Zudem brauchen Sie ja jemanden, bei dem Sie den Ring anprobieren können. Amanda und ich haben ungefähr die gleiche Größe.«
Taylor runzelte die Stirn. Diese junge Frau nahm sich entschieden zuviel heraus, war zu grell geschminkt und gehörte offensichtlich nicht zu seiner Klasse; aber er erlaubte ihr, sie zu der Wohnung des Juweliers zu führen. Dieser Ring war sehr wichtig für seine Zukunft.
Zwei Stunden später, als er das Juweliergeschäft wieder verließ, lächelte er. Miß Eiler war eine vulgäre, laute, ungebildete Person; aber sie hatte etwas an sich . . .
»Wollen Sie jetzt irgendwohin gehen, wo Sie was essen können?« fragte Reva. »Vielleicht, um Ihren letzten Tag als freier Mann zu feiern? Im >Diner< gibt es sonntagsabends immer gebratene Hühnersteaks.«
Taylor wollte entsetzt protestieren; aber die Worte wollten ihm nicht über die Lippen kommen. »Das hört sich gut an«, sagte er schließlich und bot ihr seinen Arm an. Gemeinsam überquerten sie dann die Straße.
Kapitel Zwölf
Amanda saß im Dunkel auf der Bank im Sommerhäuschen und lauschte den Nachtgeräuschen. Sie hatte ein köstliches Dinner mit ihrem Vater eingenommen, und es war ein angenehmer Abend gewesen, obwohl sie beide nicht viel geredet hatten. Sie hatte Angst, den Mund aufzumachen, da er am Morgen erst gesagt hatte, sie würde ihn zu Tode langweilen. Sie hatte irgendwie das Gefühl, daß er mit ihr nicht über die neuen Zollgesetze des Präsidenten sprechen wollte. Während des Essens hatte sie sich öfter gewünscht, daß Montgomery bei ihnen am Tisch säße. Er hätte gewußt, worüber sie sprechen sollten. Er konnte über das Wetter reden, ohne Zirrostratuswolken mit Kumulonimbuswolken zu vergleichen, wie sie, Amanda, das tun würde. Schließlich hatte sie nur gesagt: »Es ist heiß heute«, und J. Harker hatte nur geantwortet: »Ja, das ist es.« Doch selbst ohne Tischgespräch war es nett gewesen, mit ihrem Vater am Tisch zu sitzen und etwas zu essen, was den Namen Essen auch verdiente.
Nach dem Dinner war sie dann nicht mehr auf ihr Zimmer gegangen, um noch mehr Moby Dick ins Griechische zu übersetzen, sondern war statt dessen auf der Treppe umgekehrt und hinausgegangen in die zunehmende Dunkelheit. Und nun saß sie im Sommerhaus und blickte zu den Sternen. Sie erinnerte sich daran, wie sie hier mit Dr. Montgomery gesessen und ihm zugesehen hatte, als er drei Stück Torte verzehrte; sie erinnerte sich, wie er sie geküßt und gebeten hatte, ihr Haar zu lösen, und dachte an den
Weitere Kostenlose Bücher