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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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viele Führerscheine er schon mit auf den Posten genommen und sie erst wieder im Rahmen vom Biermösel‘schen Tatausgleich ausgehändigt hat, nach der gewissen Bedenkzeit natürlich, während der die Besoffenen beim Fahrradtreten auf dem Weg zur Arbeit Zeit zum Nachdenken gehabt hat.
    „Kommt Zeit, kommt Tatausgleich“, hat ihn der alte Biermösel gelehrt. Nur keine unnötige Hast, wenn einer seinen Führerschein wieder zurück haben will. Je länger er danach giert wie nach dem nächsten Schnaps, desto mehr ist er bereit zu geben.
    Im Sommer ein beschaulich-idyllischer Streifen Forststraße, erinnert sich der Biermösel mit Wehmut an den Sommer und an die beschauliche Idylle, ist die lange Gerade im Silbertannenwald im Winter die sprichwörtliche weiße Hölle und eine nur sehr schwer zu befahrende und noch schwerer zu räumende Herausforderung. Nur weil der Bürgermeister selbst wegen seinem persönlichen sexuellen Interesse an der gachblonden Discowirtin eine entsprechende Verordnung erlassen hat, muss der arme Lindbichler sich darum auch noch kümmern und die Forststraße als Schleichweg immer blitzblank sauber halten.
    Wenn dem Biermösel dann inmitten der ganzen gewaltigen Schneemassen immer wieder der Motor abstirbt und er ganz alleine und ausgesetzt in dieser tiefen finsteren Nacht herum steht, hört er auch noch seltsame Geräusche, unheimlich und bedrohlich sind sie, wie aus den Tiefen der fernsten Zeiten. Keine Besoffenen aus der breiten Volksmasse schauen ihn dann mit geröteten Augen an, dafür aber Rehe aus halbverhungerten Augen heraus, wie verarmte Waisenkinder schauen sie, die zu Weihnachten immer leer ausgehen, traurig und immer trauriger schauen die Rehe ihn an.
    „Schaut‘s nicht so traurig!“ schreit der Biermösel sie an.
    Die schauen aber trotzdem traurig, und es geht ihm mitten ins Herz hinein. Was wollen sie ihm denn mit ihren traurigen Augen sagen, fragt sich der Biermösel. Dass die depperte Seebachwirtin doch Recht hat und er an ihrer traurigen Lage schuld ist, weil er ihren Anführer, den 18-Ender, über den Haufen geschossen hat?
    „Sicher nicht!“, schreit der Biermösel dann und wehrt sich verzweifelt gegen diese bisher ungekannten Gefühle von Schuld. Hört doch endlich alle miteinander auf mit dieser alten Geschichte, wehrt sich der Biermösel weiter gegen diese blöde Gedanken, die immer noch blöder werden, je öfter es ihn herstreut und auf den Schädel haut. Es kommt doch bitteschön nichts dabei heraus, wenn man Vergangenes immer wieder aufwärmt. Die Vergangenheit muss man doch auch einmal ruhen lassen können wie eine gute Schweinswurst in der Selchkammer, ist seine feste Überzeugung, und das Wichtigste im Leben ist halt die feste Überzeugung.
    Der Biermösel schlingert durch die immer finstere Gerade, vorbei an immer noch mehr Verheerungen der nächtlichen Fahrten. Früher, erinnert sich der Biermösel mit einem auf einmal warmen Gefühl im eingefrorenen rechten Abzugfinger, war das außerdem ganz normal, dass er einmal in der Woche die Doppelläufige gegen ein Stück Rotwild gerichtet hat. Immer nur auf Schnapsflaschen auf dem Schießstand hinter dem Auerhahn zu ballern ist nämlich auf Dauer auch keine Befriedigung.
    Da entdeckt er hinter einem „Vorsicht Wildwechsel!“-Schild die Hirschkuh Bernadette, die ihren Schädel aus dem Wald herausreckt und ihn eingeschnappt anschaut wie die Ballkönigin, mit der keiner tanzen will. Und wie der Biermösel den Blick von ihr abwendet, da schaut ihn von der anderen Straßenseite her auf einmal das Rehkitz Bambi mit noch viel traurigeren Augen an, weil ihm der 18-Ender-Vati fehlt, der es immer zum Fressi Fressi in der Wildfütterung geführt hat, damit es nicht verhungert. Wie ihn Mutter und Tochter mit ihren verweinten Augenpaaren in den Zangengriff nehmen, da reißt der Biermösel seine Hände vors Gesicht, weil er das ganze Elende im Rotwildmilieu nicht mehr erträgt, und er kracht ungebremst in die linke gefrorene Schneewand, wo es ihn abrupt abstoppt und – Hoppala! – Kopf voran gegen eine Silbertanne katapultiert, von der es ihn wieder zurückschleudert auf die Straße, und dann ist es soweit: Der Biermösel fällt — ganz gegen den Brauch – zum vierten Mal unter die Fips, und er fragt sich ganz deppert im Schädel: Gibt es denn so was?
    Wie der Jesus am Ölberg liegt er jetzt unter seiner Fips herum, von allen guten Geistern verlassen. Seine Pudelhaube hängt ihm ins Gesicht herein, seine Augen darunter sind

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