Loecher, noch und noecher
den Sternen, der mich rettet?“, schreit er verzweifelt.
Da ertastet er prompt inmitten der ganzen schwarzen Tinte, in der er sich zu verlieren droht, die Satteltasche von seiner Fips, und wie dem Jointler das Haschisch, fährt dem Biermösel die Hoffnung zurück in die Venen.
„Also doch?“ fragt er sich kleinlaut.
Wenn nämlich jetzt die mitgebrachte Schnapsflasche in der Satteltasche noch unversehrt ist, und wenn er mit der jetzt eine weitere Schachtel von den Pillen vom Doktor Krisper hinunterspülen kann, die ihm immer besser schmecken, dann will er vielleicht doch noch an einen Gott glauben, und — Simsalabim! – schon ertastet er die unversehrte Flasche!
Kaum dass der Biermösel seinen neu gefundenen Gottesbeweis unbeschadet umfasst, schlägt er dankbar das Kreuz und schreit aus voller Kehle zum Himmel hinauf:
„Danke, lieber Gott! Bist ein klasser Bursche!“
Ganz ohne spirituellen Halt kommt der Mensch nämlich in so einer auswegslosen Situation dann doch nicht aus, und bis jetzt hat Gott (und die Spirituosenindustrie) noch keinen besseren Halt im Todeskampf entwickelt als die wohl geformte Schnapsflasche.
Nachdem der Biermösel die Schnapsflasche ratzeputz geleert und die Pillen dazu mit steigendem Genuss geschluckt hat, werden ihm die Augen ganz schwer, und mit „Schlafe, Kindlein, schlafe süß, und jetzt deine Ruh genieß“, singt er sich selbst in den Schlaf, bis ihm der Sabber aus den Mundwinkeln auf den Wetterfleck rinnt. Mit einem Kinderlied auf den Lippen stirbt es sich einfach leichter. Schön warm wird es ihm von den Füßen herauf, so gut ist es ihm schon lange nicht mehr gegangen.
„Gute Nacht, schöne Welt“, verabschiedet er sich in seiner kompletten Verweichlichung. „Du warst nicht immer gut zu mir. Aber drauf wird jetzt auch geschissen.“
Falsches Fest
Lange war der Biermösel noch nicht halbtot, da reißen ihn schon wieder näher kommende Motorengeräusche aus dem wohligen Dämmer der tiefen Finsternis, in die er abgetaucht war, und stoßen ihn zurück ins Leben. Nacheinander rasen sie auf einmal alle wie die gesengten Säue an ihm vorbei – der Bürgermeister, der Seebachwirt, der Landtagsabgeordnete von der „Hilf dir selbst, wir helfen dir nicht!“-Partei samt dem Gebietsvertreter von der Knochenbruch-Versicherung am Beifahrersitz, und als Nachhut gewissermaßen, aber immer noch mit weit über 100 Sachen, sogar der alte Wollatz in seinem Puch 500. Wie der geölte Blitz donnert der knapp an ihm vorbei, mit einem Karacho, das den Hirschen im Wald die Paarhufe auszieht. Kein Wunder, denkt sich der Biermösel, dass der so schwer zu erreichen ist.
Nachdem die Karawane der „Kreuzritter vom Sire Irish Moos“, wie er sie nennt, an ihm vorübergezogen ist und die Abgase sich im Schnee zum anderen Dreck dazu gesellen, ist es wieder still um ihn herum, und der Biermösel verliert bald jedes Gefühl dafür, wie lange diese Stille schon anhält. Liegt er seit drei Minuten da, oder sind es schon 300.000 Jahre?
„Mir doch wurscht!“, denkt er sich jetzt, wo er dem Erfrierungstod immer mehr abgewinnen kann. Leicht wie ein Baby im Wasser fühlt er sich, und obwohl ihm eigentlich immer kälter werden sollte, wird es ihm immer wohliger und wärmer, „Danke, lieber Gott“, wendet sich der Biermösel in einer Art Dankgebet an den da oben, „der Erfrierungstod ist eine wirklich erstklassige Einrichtung.“
Dann taucht er ab. Langsam sinkt er hinunter in ferne, unbekannte Welten. Seltsam, denkt er sich, dass es hinuntergeht und nicht hinauf. Seltsam, denkt er sich auch, dass er nicht fliegt sondern schwimmt. Aber wurscht, denkt er sich, Hauptsache warm ist es. Und wie er den schweren Brummschädel schwach zur Seite legt, da sieht er – das Licht.
„Das Licht“, stammelt der Biermösel glücklich wie das Kleinkind, das zum ersten Mal den Christbaum sieht, „das schöne orangene Licht.“
Von einem orangenen Licht war aber in den Nahtoderfahrungsberichten im Nachmittags-Staatsfunk nie die Rede, also hätte der Biermösel skeptisch sein müssen, wie er das Licht näher kommen sieht. Der Biermösel ist aber nie skeptisch, wenn er besoffen ist. Und jetzt ist er schon so besoffen und so sehr auf den nahenden Erfrierungstod eingestellt, dass er erst gar nicht sieht, dass es sich beim näher kommenden Licht um den als U-Boot verkleideten Unimog vom Lindbichler handelt. In jahrelanger Kleinarbeit hat der sein Dienstfahrzeug von der Straßenmeisterei mit tausenden Glühbirnen
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