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Loecher, noch und noecher

Loecher, noch und noecher

Titel: Loecher, noch und noecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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nach oben verdreht, die Zunge hängt ihm heraus fast bis zu den Schuhen. Der weiße Nebel Atemluft züngelt nur noch schwach aus seinen Nasenlöchern wie der heiße Rauch aus der Selch drüben im Auerhahn. Bald ist es vorbei mit ihm. Fehlt nur noch, denkt er im Todeskampf bei sich, dass der Grasmuck mit ein paar schwer bewaffneten Jägern aus dem Silbertannenwald heraus kommt und den Judaslohn einsackt, bevor er ihm ein Bussi auf die Wange drückt und sagt:
    „Der da war‘s! Der hat im Herbst den Hirschen über den Haufen geschossen!“
    „Grasmuck!“, schreit der Biermösel in die Stille hinein, aber der hört ihn natürlich nicht. Der sitzt wahrscheinlich bei der Discowirtin drüben im Puff und bekämpft dort seine Einsamkeit mit teuren Weibern, die er sich nicht leisten kann. Er macht sich mit den ganzen Besoffenen gemein, die bald über ihn hinwegrasen werden, wenn er noch lange so deppert da herumliegt.
    „Grasmuck“, schreit der Biermösel noch einmal. „Du Judas!“
    Hilft ihm denn gar keiner, jammert er weiter. Leuchtet denn nirgendwo ein Stern, der ihn hinaus führt aus der finsteren Hölle?
    Es ist still um den Biermösel herum, wie nach einem alles klärenden Schuss aus der Doppelläufigen. So still ist es, dass er sogar leise den Schnee auf die Silbertannen rieseln hört, und so reglos liegt er da, dass er jede einzelne Flocke in seinem Gesicht spüren kann, die sich auf ihn legt wie der Streusel auf den Lebkuchen, Herrgottnocheinmal, denk er mit immer größerem Hunger, auf den Lebkuchen mit Streusel in der Keksdose, die ihm die Roswitha immer auf sein Nachtkasterl stellt, hätte er sich auch schon so gefreut!
    Advent Advent, kein Lichtlein brennt. Der Biermösel kneift die Adleraugen immer noch weiter zusammen, aber er sieht nichts, weil die Bundesregierung neuerdings sogar an den Glühbirnen für die Straßenlaternen spart. Hauptsache, denkt der Biermösel jetzt nur negativ über die Bundesregierung, sie schicken ihm einen rot-weiß-roten Windschutz für die Fips, für so was ist dann immer Geld da! Wenn man aber gerade kein rot-weiß-roter Windschutz ist und kein sündteurer Abfangjäger, wenn man kein Werbeplakat in eigener Sache ist und kein Weihrauch zur Selbstbeweihräucherung, dann lässt die Bundesregierung in Wien kein Geld mehr aus. Sollen die Leute sich in der Finsternis ruhig den Schädel einschlagen und dann mit ausgebreiteten Armen daliegen, denkt sich die Bundesregierung, sollen sie ruhig verkehrt herum gekreuzigt auf einer Vogelscheuche im Krautacker verenden – Hauptsache es schaut katholisch aus! Oder sollen am besten überhaupt alle daheim bleiben und Kinder kriegen, gibt die Bundesregierung die Parole aus, von uns kriegen die jedenfalls keine Straßenbeleuchtung, die ihnen dann vielleicht noch den falschen Weg von der Punschhütte bei der Kirche in die Disco von der gachblonden Wirtin hinüberleuchtet, wo sie dann blöd herumtanzen und herumschmusen, aber „Kruzifixnocheinmal!“, schreit der Biermösel in die komplett unbeleuchtete Winterlandschaft hinein, „ich will ja gar nicht in die Disco hinüberfahren und herumtanzen und herumschmusen, ich will ja nur heim in den Auerhahn!“
    Schon muss sich der Biermösel wegen der ganzen Verzögerungen und Selbstfaller auch um sein noch relativ gutes Verhältnis zur Roswitha Sorgen machen, die sich umgekehrt hoffentlich auch schon ein paar Sorgen um ihn macht. In den 35 Jahren geschwisterlichen Zusammenlebens und häuslicher Routine ist er ja nur eine einzige Nacht nicht nach Hause gekommen, und da hat er an ihrer rasenden Eifersucht gemerkt, dass sie ganz und gar nicht auf ein Leben ohne ihn eingestellt ist. Das hat ihm dann schon sehr gut getan, auch wenn er neuerdings das blöde Gefühl hat, dass sogar die Roswitha den Kopf in den Wolken trägt, wenn sie ihm am Abend den Schweinsbraten serviert. Sind denn auch ihre Gedanken bei einem anderen, fragt er sich besorgt.
    Kann ja sein, dass er manches Mal sehr streng mit seiner Schwester umgeht und das Regelwerk der häuslichen Routine vielleicht manches Mal ein bisserl zu eng schnürt, das kann schon sein. Vielleicht könnte er da und dort in Zukunft die eine oder andere Schraube wirklich ein bisserl lockern, allerdings ist das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt und ganz sicher der falsche Ort, um Schrauben zu lockern, der Gefriertod kriecht ihn schon zu tief ins Knochengebälk hinein, als dass der Mensch noch gute Vorsätze fassen könnte.
    „Gibt es denn keinen Gott da oben bei

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