Löffelchenliebe (German Edition)
spätestens dann bin ich sehr unsicher.
Aus der Küche kommt Radiogedudel, und ich höre David mitsummen und herumwerkeln. Hach, er ist immer so sehr er selbst, immer David, egal, was die Leute denken. Dafür liebe ich ihn. Habe gar nicht mitbekommen, wie er aufgestanden ist, muss wohl noch geschlummert und meinen Hexenschuss, oder was auch immer das war, auskuriert haben. Denn weh tut mein Rücken überhaupt nicht mehr, seltsam, als wäre nie etwas gewesen. Ich strecke mich ausgiebig und schicke ein Dankesgebet durch die Wand an den schnarchenden Malte.
David schleppt eine Frühstückszutat nach der anderen heran wie ein Eichhörnchen, das seine Nüsse in einer Astgabel bunkern will. Nur dass B-Hörnchen Anna hoch oben in der Baumkrone hockt, die Leckerbissen in Empfang nimmt und sicherlich nicht bis zum nächsten Winter mit der Nahrungsaufnahme wartet. David hat sogar eine Avocado zerdrückt und mit einer Zitronenscheibe garniert. Ich tunke meinen Finger ins grüne Püree – sehr lecker ! – und streiche anschließend die Oberfläche wieder glatt. Und was ist das ? Doch nicht etwa selbstgemachter Hummus !
»Bringst du noch einen großen Teller und ein scharfes Messer mit ?«, rufe ich Richtung Küche und verteile Brotkorb, Eier, Salzstreuer, vegetarische Brotaufstriche, Nutella, zwei rote Marmeladen – dem Etikett nach eindeutig von Davids Eltern aus Südfrankreich –, einen etwas wackeligen Teller mit Tomaten, Mozzarella, Basilikum und viel Essig und Öl großflächig auf der Matratze. So lässt es sich leben ! Dann schneide ich die Rinde der Goudascheiben ab, wickle sie wie bei Muttern gelernt zu Rollen, drapiere sie im Halbkreis auf dem Teller und reiche David die leere Plastikverpackung nach unten.
»Fehlt sonst noch irgendwas ?«, fragt er.
»Vielleicht noch Servietten.« Besser ist’s, bevor ich mit meinen Käsefingern noch überall Fettflecken hinterlasse.
David wirft eine Rolle Klopapier nach oben aufs Bett. Na denn.
Zwei Stunden und zwei große Tassen Milchkaffee später hocke ich alleine auf meinem sonnigen Hochsitz. Die Höhe des Betts macht mir immer weniger zu schaffen. Wenn ich neben David liege, vergesse ich oft sogar vollkommen, dass sich die Matratze nicht in Bodennähe befindet. Und beim Abstieg kann man ja die Augen schließen. Ich rücke mir das Kissen im Kreuz zurecht und blättere in der ZEIT . Als David mir beim Frühstück daraus vorgelesen hat, erschienen mir die Artikel viel interessanter, jetzt blättere ich nur noch wahllos vor und zurück, kämpfe mit dem Riesenformat, überfliege eine Filmkritik, ein Mode-Special, den Reiseteil und einen Text zu verunsicherten Vätern. Bei den Vätern halte ich mich länger auf, lese aber gar nicht mehr richtig, sondern denke an David.
Der ist gerade bei einem Treffen seiner Klimaschutzgruppe, wie jeden Sonntagnachmittag. Finde ich gut, auch wenn mir selbst so was ja fernliegt. Ich bin schon zufrieden, wenn ich meinen Müll einigermaßen getrennt bekomme und den Fernseher nicht mehr auf Stand-by laufen lasse. Ach ja, und ich habe mir neulich ein paar Oberteile aus Bio-Baumwolle gekauft. Es gibt da seit Neustem diesen kleinen Laden bei mir um die Ecke, der nur Kleidung aus Naturmaterialien verkauft. Erst war ich ja skeptisch und sah im Geiste schon eine Armee von Birkenstockträgerinnen mit ihren Käsefüßen mein Viertel unsicher machen, aber ich muss sagen, der Laden hat wirklich schön geschnittene Teile. Diese dünne cremeweiße Strickjacke mit Rüschen an den richtigen Stellen sieht einfach toll aus zu meinem neuen silbergrauen Hauch von einem Kleid. Jetzt muss nur noch der richtige Anlass kommen für dieses Fähnchen, wie meine Mutter das Kleid neulich genannt hat.
Nachdem ich meine erste Irritation überwunden habe, darüber, dass David in kein Auto steigt, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, dass er alle Wege mit dem Fahrrad zurücklegt, sogar Altglas auf diese Weise transportiert, dass er Vegetarier ist und darüber hinaus nicht nur seine Sonntagnachmittage mit gleichgesinnten Klimaschützern verbringt, sondern jeden Mittwochabend mit seiner Fledermaushäuschen-Betreuungstruppe Fledermaushäuschen repariert, nachdem ich neulich sogar selbst bei der »Aktion Krötenzaun« die Kaffeefilter ausgewaschen habe, seitdem ist jedwede Irritation einer stillen Bewunderung gewichen.
Und eines ist sonnenklar: David wäre ein ganz wunderbarer Vater. Fürsorglich, geduldig, intuitiv, entspannt, und er hätte bestimmt Spaß daran, mit
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