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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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diese
Einstellung! Und Mandl muß es dann richten. Aber konnte er nicht einen anderen
Gehilfen finden — als dieses Froschgesicht mit der gelben Brille?“
    „Es hat sich sonst keiner beworben,
wurde gesagt.“
    Über den Feldern rechts und links lag
die Nacht schwarz und feucht. Der Wind riß an kahlen Zweigen. Vermutlich
hockten Dohlen in den Wipfeln der Chaussee-Bäume. Als die Jungs nach zwei
Dritteln der Strecke an der großen Feldscheune vorbeikamen, rochen sie den
Dung, der dort — frisch ausgefahren — in die Nacht dunstete.
    Die Lichter der Großstadt, der südliche
Vorort, Straßen, endlich dann der Hauptbahnhof.
    Klößchen dampfte und wehklagte wegen
der gähnenden Leere in seinem Magen. Tim entdeckte den rostbraunen Jaguar der
Sauerlichs. Georg, der nette Chauffeur, saß am Lenkrad, Hermann Sauerlich neben
ihm. Sie unterhielten sich, ließen aber den Haupteingang des Bahnhofs nicht aus
dem Auge.
    „Da sind wir!“ Klößchen klopfte an die
Scheibe.
    „Steigt ein!“ rief sein Vater, griff
hinter sich und öffnete eine Tür.
    Tim war vom Rad gestiegen, wollte es
zusammen mit Klößchens Stahlroß neben dem Wagen parken.
    In derselben Sekunde sah der
TKKG-Häuptling die beiden: den blondierten Schlägertyp aus dem ,Halben Ohr’ und
einen Brocken von Kerl, der einen Bauch vor sich herschob.
    Das Duo kam aus dem Hotel JAHRESZEITEN,
einem mittelgroßen, mittelprächtigen Beherbergungsunternehmen, das Vorteil zog
aus dem Umstand: Es lag am Rande des riesenhaften Bahnhofsplatzes, dem Eingang
der Haupthalle schräg gegenüber.
    Der Blonde und sein massiger Begleiter
feixten: wie es Tim schien, nicht über was Spaßiges, sondern vor Zufriedenheit.
Eilig gingen sie zur Einmündung der Musen-Straße und bogen dort um die Ecke.
    Tim beugte sich in den Wagen, wo sein
Freund schon im Fond saß — genau dort, wo er am Vormittag den Bordcase bewacht
hatte: mit einem Höchstmaß an Fahrlässigkeit.
    „’n Abend, Herr Sauerlich, ‘n Abend,
Georg! Dort drüben sehe ich gerade zwei Typen, die mir verdächtig erscheinen.
Der eine hat nämlich jenen Penner verprügelt, mit dem Sie hier verabredet sind,
Herr Sauerlich. Vielleicht hat es nichts zu bedeuten. Aber ich will doch mal
sehen, was die treiben. Bin gleich wieder da, ja? Nein, Willi, bleib hier! Zwei
fallen mehr auf als einer. Erzähl doch schon mal, was wir heute ermittelt
haben.“
    Tim wartete keine Antwort ab, sondern
schob sein Rad im Laufen und sprang dann auf. Daß die drei auf Leo warteten,
war lobenswert, würde aber nichts bringen. Bestimmt hatte der Penner den Mut
verloren oder eine nicht vorhandene Lalle gewittert. Tim interessierte sich
mehr für das Duo.
    Die Musen-Straße — auch ,lasterhafte
Meile’ genannt — vereinte auf engstem Raum die meisten Kneipen, Billardsalons,
Nachtlokale und Schnell-Imbiß-Stätten der Stadt.
    Aber der Blonde und der Koloß strebten
weiter. Da sie sich nicht umblickten, fuhr Tim unbekümmert hinterher. Außerdem
hatte die Musen-Straße keinen Mangel an Passanten und grellgeschminkten Damen.
    Ob der Blonde den Leo kennt? überlegte
Tim. Wäre jeder andere Penner von ihm genauso behandelt worden — wenn er ins
neuerdings feine Lokal kommt und stört? Oder war da was Persönliches im Spiel?
Eigentlich unwahrscheinlich. Leo und der Blonde — nein, da gibt’s keine
Berührungspunkte. Es sei denn, der eine tritt den andern versehentlich auf die
Zehen.
    Drei Straßen weiter, wo es ruhig und
dunkel war, verharrte das Duo hinter einer Ecke. Der Koloß lehnte sich an die
Hausmauer und schien zu verschnaufen. Der Blonde rückte seinen Hut zurecht und
luchste in die nächste Straße.
    Tim versteckte sich hinter einem
Kleinlaster, dem hinten das Nummernschild fehlte. Vielleicht stand er hier
schon seit Monaten.
    Die beiden — etwa 30 Meter entfernt — hatten
offenbar Posten bezogen. Der Koloß zündete eine lange, dünne Zigarre an. Der
Blonde peilte unentwegt um die Ecke und sprach ab und zu hinter sich. Aber das
war wohl nur Blabla, keine echte Info, denn es lockte den Koloß nicht zur Ecke.
Er paffte nur und schneuzte sich dann, was wie ein elefantenhafter
Trompetenstoß klang.
    Was beobachtete der Blonde?
    Tim machte kurzerhand kehrt, verschwand
links in der Gasse, bog nach zwei Häuserblöcken abermals links ab und gelangte
auf die Verlängerung jener Straße, in deren unteren Teil der Blonde einblickte
— von seiner Ecke aus.
    Wallbringer-Graben — so hieß der
luftgefüllte Raum zwischen den fünfstöckigen

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