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Lösegeld am Henkersberg

Lösegeld am Henkersberg

Titel: Lösegeld am Henkersberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Hüne blickte zu Leo.
    Dann setzten sich beide in Bewegung und
kamen auf ihn zu.
    Verdammt! Leos Knie gaben nach. Diese
Typen... die wollten ihm was... die... Ritschis Blamage in der
Springflut-Gasse! Wollte der die jetzt wettmachen, indem er ihn, Leo, nochmals
verprügelte?
    Der Penner ließ es nicht darauf
ankommen, sondern warf sich herum und sockte eilig zum Ost-Ausgang.
    Folgten sie ihm? Nach zehn Schritten
sah er sich um. Ja, sie kamen, hatten aufgeholt und beschleunigten jetzt.
    Leo rannte. Er hatte die falsche
Richtung gewählt. Zum Ost-Ausgang hin war kein Betrieb. Hier fiel zwar nicht
auf, wenn einer rannte. Aber es war auch niemand da, der Leo hätte helfen
können.
    Der Penner schaffte es. Aus
Leibeskräften schmiß er die Beine, rannte hinaus in die Dunkelheit und
versteckte sich auf einem Parkplatz, indem er unter einen parkenden Kleinbus
kroch.
    Dann waren die Verfolger schon da. Sie
suchten lange, fluchten, und Leo sah ihre Füße und Hosenbeine. Er hielt den
Atem an und wünschte sich weit weg aus der Stadt. Konnte dieser Mistkerl,
dieser Ritschi, denn so rachsüchtig sein? Der konnte.
    Leo blieb unter dem Kleinbus, wagte
sich auch dann nicht hervor, als er von den beiden nichts mehr hörte.
Vielleicht lauerten sie in der Nähe?
    Viel später, nach scheinbar unendlicher
Zeit, verließ er sein Versteck. Witternd wie versprengtes Wild, schlich er in
die Halle zurück. Es war 19.02Uhr. Verflucht und zugenäht! Dieser Sauerlich
hatte vergebens gewartet. Leo suchte nach ihm, aber er war nicht mehr da.
    Zum Glück hatten auch Ritschi und der
feiste Hüne den Platz geräumt.
    Leo zitterte vor Enttäuschung. Sollte
er’s nochmal probieren? Würde Sauerlich ihm glauben? Oder fühlte der sich auf
den Arm genommen? Leo fand nicht den Mut für einen neuen Anlauf. Aber morgen
war ja auch noch ein Tag.

11. Tim beobachtet
     
    Nicht mehr lange bis zum Abendessen. Im
Haupthaus der großen Internatsschule herrschte der übliche Trubel. Für jene,
die nachmittags während der Arbeitsstunde ihre Hausaufgaben erledigt hatten,
war nun ein freier Abend angesagt. Die Schüler der Oberstufe würden nochmal in
die Stadt fahren und sich dort aufführen, als wäre die Welt nur für sie da: in
Discos, im Kino, bei der Freundin oder beim Bummel durch klamm-kalte Straßen,
wenn das Taschengeld zu nichts anderem mehr reichte.
    Für die jüngeren Schüler sah der Abend
nicht so aufregend aus. Die meisten würden sich im Fernsehraum drängen und
fürchterlich streiten über die Wahl des Programms. Natürlich standen auch
Turnhalle, Bastelstube, Schachclub und die eigene Bude zur Auswahl.
    Am bittersten sah’s aus für Klößchen
und Tim. Sie hatten die Arbeitsstunde geschwänzt, also mußte das häusliche
Pensum jetzt nachgeholt werden.
    „Ich tue nichts mehr“, meinte Klößchen.
„Ist mir wurscht, ob ich morgen reinfalle. Ich rufe erstmal zu Hause an und
frage, ob Mama sich beruhigt hat. Außerdem kann ich ihr sagen — als Trost, daß
wir ein bißchen heiße Spur haben, nicht wahr?“
    „Ich komme mit“, sagte Tim. „Muß ja
wegen Leo noch Gabys Vater verständigen.“
    Klößchen hatte seinen Vorrats-Karton
vom Schrank geholt und riß eine Tafel Schokolade auf. Tim wechselte die Schuhe.
Anstelle der gefütterten Wintertrainingsschuhe, die von finnischen
Geländeläufern zu dieser Jahreszeit bevorzugt werden, zog er leichte
Hallenschuhe an — was innerhäusig bequemer ist.
    Die beiden Freunde verließen das
ADLERNEST, ihre Bude im zweiten Stock, und liefen die Treppen hinunter zur
BESENKAMMER — wie die Telefonzelle im Hauptflur seit eh und je heißt.
    Tim rief bei Glockners an. Der
Kommissar war jetzt daheim. Der TKKG-Häuptling erklärte knapp, worum es ging.
    „Habt ihr gut gemacht“, lobte Gabys
Vater. „Die Baracke bei der Prinz-Felix-Brücke wird im Auge behalten. Dafür
sorge ich.“
    „Bitte, grüßen Sie Gaby und Alice!“
sagte Tim. „Und natürlich auch Ihre Frau.“
    Dann war Klößchen an der Reihe. Mit dem
Fuß hielt er die Tür der BESENKAMMER offen. Tim lehnte draußen an der Wand,
dachte an Gaby und war ein bißchen eifersüchtig. Eifersüchtig auf Alice. Das
war nicht persönlich gemeint. Im Gegenteil! Er fand sie reizend, helle und
nett. Aber die Situation machte ihn unglücklich. Alice konnte jetzt bei Gaby
sein — er nicht.
    Aber später, dachte er, spätestens ab
Volljährigkeit verbringen wir jeden Abend zusammen. Himmel, noch mehr als vier
Jahre! Eine Durststrecke ist das wie zehnmal durch

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