Lösegeld Für Einen Toten
daß seine Frau und seine Kinder im Gästehaus untergebracht werden, damit sie in seiner Nähe sind. Kehrt jetzt mit besten Grüßen und meinem Dank zu Einon ab Ithel zurück und bittet ihn, den Schutzbefohlenen direkt zur Abtei zu bringen. Ich will sehen, daß Bruder Edmund und Bruder Cadfael bereit sind, um ihn aufzunehmen und für seine Genesung zu sorgen. Zu welcher Stunde können wir mit Eurer Ankunft rechnen? Abt Radulfus wird Eure Hauptleute als Gäste aufnehmen wollen, bevor sie sich auf den Rückweg begeben.«
»Wir müßten die Abtei noch vor Mittag erreichen«, sagte der Bote.
»Gut! Dann soll für alle ein Platz zum Mittagstisch vorbereitet werden, ehe Ihr Euch mit Elis ap Cynan im Austausch gegen meinen Sheriff auf den Rückweg macht.«
Hugh übermittelte persönlich die Nachricht an Lady Prestcote, die ihn erleichtert und freudig in den Turmgemächern empfing; die Freude wurde allerdings durch einige Sorgen getrübt, als sie vom Zusammenbruch ihres Gatten hörte. Sie rief rasch ihren Sohn und ihre Magd herbei und machte sich bereit, in das bequemere Gästehaus der Abtei umzuziehen, um ihren Herrn empfangen zu können. Hugh begleitete sie dorthin und beriet sich dann mit dem Abt über den Besuch, der am Mittag kommen sollte. Und wenn er bemerkte, daß ein Mädchen in seiner Begleitung stumm und bleich war, mit Augen, die ebenso vor Tränen wie vor Sehnsucht glänzten, dann dachte er sich nichts dabei. Die Tochter der ersten Frau, verdrängt durch den Sohn der zweiten, mochte durchaus die sein, die den Vater am meisten vermißt hatte; vielleicht war ihr Mut durch den Kummer des Wartens so schwer geprüft worden, daß sich ihre Erschöpfung noch nicht in Freude hatte verwandeln können.
Unterdessen gab es viel Getriebe und Geschäftigkeit im großen Hof. Abt Radulfus gab Befehle und kümmerte sich darum, daß sein Tisch für die Bewirtung der Abgesandten des Prinzen von Gwynedd hergerichtet wurde. Prior Robert beriet sich mit den Köchen, die der Eskorte für den Rückweg reichlich Vorräte mitgeben sollten, und er reservierte Plätze in den Ställen, wo ihre Pferde gefüttert und gepflegt werden konnten.
Bruder Edmund bereitete die ruhigste, abgeschiedenste Kammer im Krankenquartier vor und ließ warme, leichte Decken und eine Kohlenpfanne bringen, um die Luft vorzuwärmen, während Bruder Cadfael, an die aufgebrochene Wunde und die Möglichkeit von etwas Schlimmerem als einem Schwindel denkend, die Schätze seines Herbariums durchsah.
Die Abtei hatte manchmal schon größere Gruppen bewirtet, sogar königlichen Geblütes, doch nun kehrte ein Mann aus der Gefangenschaft zurück, und die Waliser, die ihn so höflich und pünktlich freigegeben und sicher hergeführt hatten, mußten wie Prinzen empfangen werden, und schließlich waren sie auch die Abgesandten eines Prinzen.
Elis ap Cynan lag in seiner Zelle in der Burg auf dem Bauch, das Gesicht in die Decken gepreßt, das Herz in der Brust so drückend wie ein heißer, schwerer Stein. Er hatte Melicent gehen gesehen, doch nur heimlich, um ihr das Leid und die Verzweiflung zu ersparen, die er selbst spürte. Sollte sie lieber ohne eine letzte Erinnerung gehen, damit sie wenigstens all ihre Gedanken auf den Vater richten und den Geliebten aus dem Bewußtsein tilgen konnte. Er hatte ihr angestrengt nachgestarrt, bis sie über die Rampe vor dem Torhaus verschwunden war, und ihr silbrig-goldenes Haar war der einzige helle Fleck an diesem trüben Tag gewesen. Sie war fort, und die Vernunft sagte ihm, daß er nun höchstens noch darauf hoffen konnte, sie am Morgen ein letztes Mal flüchtig zu sehen, wenn er aus der Burg freigegeben und zur Abtei hinunter geführt wurde, wo er an Einon ab Ithel übergeben werden sollte; und danach, wenn nicht noch ein Wunder geschah, würde er sie niemals wiedersehen.
5. Kapitel
Bruder Cadfael stand mit Bruder Edmund auf der Terrasse der Krankenstation bereit, als die Männer am Spätvormittag kurz nach dem Hochamt einritten. Owains vertrauenswürdiger Hauptmann hatte mit Eliud ap Griffith, der sehr feierlich dreinblickte, die Spitze übernommen, und dicht hinter den beiden folgten ein Schildknappe und zwei ältere Offiziere. Hinter diesen kam die Bahre, die sicher zwischen zwei kräftigen Hochlandponys festgebunden worden war.
Neben den Pferden liefen Krankenwärter, die jedes Rütteln zu verhindern suchten. Die lange Gestalt auf der Bahre war so dick eingewickelt und eingehüllt, daß sie unförmig wirkte, doch die
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