Lösegeld Für Einen Toten
Ponys schritten mühelos und sicher aus, als wäre die Last sehr leicht.
Einon ab Ithel war ein großer, muskulöser Mann von über vierzig Jahren, bärtig, mit langem Schnurrbart und einer braunen Haarmähne. Seine Kleidung und das Geschirr des guten Pferdes, das er ritt, verrieten seinen Reichtum und seine Bedeutung. Eliud sprang aus dem Sattel, um das Zaumzeug seines Herrn zu nehmen, und führte das Pferd beiseite, als Hugh Beringar vortrat, um die Ankömmlinge zu begrüßen.
Hinter ihm folgte mit freundlicher Würde Abt Radulfus. Für Einon und die älteren Offiziere seiner Gruppe sollte es in den Gemächern des Abtes ein gemütliches Willkommensmahl geben, an dem auch Lady Prestcote, ihre Tochter und Hugh teilnehmen würden - wie es sich geziemte, wenn zwei Mächte zu einem vernünftigen Abkommen gefunden hatten. Die dringendsten Aufgaben blieben jedoch Bruder Edmund und seinen Helfern vorbehalten.
Die Bahre wurde abgeschnallt und sofort in den Raum der Krankenstation getragen, der zum Empfang des Verletzten vorgewärmt worden war. Edmund ließ sogar Lady Prestcote nicht herein, die glücklicherweise durch die Höflichkeitsbezeugungen etwas aufgehalten wurde. Er bat sie zu warten, bis der Kranke ausgewickelt, entkleidet und ins Bett gesteckt war und man sich ein Bild von seinem Zustand verschafft hatte.
Zunächst zogen die Helfer eine lange Nadel mit einem großen ziselierten Goldkopf, von der eine schmale Goldkette herabhing, aus dem hohen, enganliegenden Kragen des Schafsfellmantels, in den der Kranke gehüllt war. Jedermann wußte, daß es in Gwynedd Goldschmiede gab, und wahrscheinlich stammte dieses Schmuckstück aus Einons Vaterland, denn gewiß mußte dies sein Mantel sein, den er hergegeben hatte, um seinen Schutzbefohlenen zu wärmen.
Edmund legte das Kleidungsstück zusammengefaltet auf einen niedrigen Schrank neben dem Bett, und zwar so, daß die große Nadel deutlich zu sehen war, damit sich niemand stach, wie es leicht hätte geschehen können, wenn sie verborgen gewesen wäre. Sie befreiten Gilbert Prestcote von den Kleiderschichten, in die er gewickelt war, und dabei schlug er langsam die Augen auf, ja, schien ihnen mit einigen schwachen Bewegungen helfen zu wollen. Er war sehr vom Fleisch gefallen und hatte mehrere Narben, die verheilt, aber entzündet waren, und natürlich die offene, blutige Wunde an der Seite, die bei seinem Sturz wieder aufgerissen war. Cadfael legte vorsichtig einen Verband auf die Verletzung. Selbst diese passive Hinnahme der Behandlung erschöpfte den Kranken. Als sie ihn endlich ins gewärmte Bett gehoben und zugedeckt hatten, waren seine Augen schon wieder geschlossen. Er hatte bisher noch kein Wort gesprochen.
Es war ein Wunder, wie er es geschafft hatte, vor seinem Sturz überhaupt eine Meile zu reiten, dachte Cadfael, als er die unter den Laken ausgestreckte Gestalt und das ausgemergelte, aschfahle Gesicht betrachtete - die dunklen Augenhöhlen und spitzen Wangenknochen. Das dunkle Haupthaar und der Bart waren stark von Grau durchsetzt und wirkten ungepflegt und leblos. Nur sein eherner Wille, der keine Schwäche duldete, am allerwenigsten bei sich selbst, hatte ihm in den Sattel geholfen, und als auch der versagte, war er gestürzt.
Aber er atmete, und er hatte sich, wie schwach auch immer, bewegt, um die Gewalt über seinen eigenen Körper zu behaupten. Nun öffnete er noch einmal die getrübten und eingesunkenen Augen und starrte zu Cadfaels Gesicht hinauf.
Seine grauen Lippen formten kaum hörbar die Worte: »Mein Sohn?« Nicht: ›Meine Frau?‹ Und auch nicht: ›Meine Tochter?‹
Cadfael betrachtete ihn mit wehmütigem Mitgefühl und beugte sich über ihn, um ihn zu beruhigen: »Der junge Gilbert ist hier, wohlbehalten und sicher.« Er blickte zu Edmund hinüber, der sich mit einer Geste einverstanden erklärte. »Ich werde ihn zu Euch bringen.«
Kleine Jungen sind eigentlich kaum zu erschüttern, aber Cadfael sprach trotzdem zur Mutter und zum Kind einige warnende und beruhigende Worte ehe er die beiden hereinbrachte und sich in eine Ecke zurückzog, um sie ungestört reden zu lassen. Hugh trat mit ihnen ans Bett.
Prestcotes erster Gedanke galt natürlich seinem Sohn, und der zweite, nicht weniger natürlich, seiner Grafschaft. Und alles in allem war seine Grafschaft in gutem Zustand, und das sollte ihn ermuntern zu leben, gesund zu werden und selbst die Führung wieder zu übernehmen.
Sybilla weinte leise. Der kleine Junge starrte den Vater, den
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