Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lösegeld Für Einen Toten

Lösegeld Für Einen Toten

Titel: Lösegeld Für Einen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
er kaum erkannte, verwundert an, doch er ließ sich von einer hageren, kalten Hand heranziehen und von hungrigen Augen anblicken, die aussahen wie von flackernden Lichtern beleuchtete Höhlen. Seine Mutter beugte sich über ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr, und er senkte gehorsam das rosige, runde Gesicht und küßte eine knochige Wange. Er war ein angenehmes Kind, verwirrt, doch willig, und überhaupt nicht ängstlich. Prestcotes Augen wanderten weiter und fanden Hugh Beringar.
    »Ruht Euch nur aus«, sagte Hugh, indem er sich niederbeugte und beantwortete, was nicht gefragt werden mußte. »Eure Grenzen sind unversehrt und bewacht. Der einzige Übergriff hat uns die Geisel für Euch verschafft, und auch dort war der Sieg unser. Owain Gwynedd ist unser Verbündeter. Was Euch zum Schutz anvertraut wurde, ist in bester Ordnung.«
    Die getrübten Augen wurden von schweren Lidern bedeckt, und kein Blick fiel auf das Mädchen, das reglos und schweigend bei der Tür im Schatten stand. Cadfael hatte sie aus seiner Ecke beobachtet und gesehen, wie das Licht aus der Kohlenpfanne und der Lampe in den Tränen glitzerte, die ungehemmt und stumm ihre Wangen herunterströmten. Sie gab kein Geräusch von sich, sie atmete kaum. Ihre großen Augen ruhten wie gebannt, mit kummervollem, verzweifeltem Starren auf dem veränderten, gealterten Gesicht des Vaters.
    Der Sheriff hatte verstanden, was Hugh gesagt hatte.
    Sein Kopf regte sich leicht in einem zufriedenen Nicken. Seine Lippen bewegten sich und brachten recht deutlich ein Wort hervor: »Gut!« Dann wandte er sich an den Jungen, der eingeschüchtert, doch neugierig über ihn gebeugt stand:
    »Braver Junge! Paß... auf deine Mutter auf...«
    Er seufzte leise, und die Augen fielen ihm zu. Die Besucher verhielten sich eine Weile still, beobachteten das Heben und Senken der Decken über der eingefallenen Brust und lauschten den kurzen, rauhen Atemzügen, bevor Bruder Edmund leise vortrat und verhalten flüsterte: »Er schläft jetzt.
    Lassen wir ihn ruhen. Niemand kann noch etwas Besseres oder Wichtigeres für ihn tun.«
    Hugh berührte Sybillas Arm, und sie erhob sich gehorsam und zog ihren Sohn an sich. »Wie Ihr seht, ist er in besten Händen«, sagte Hugh sanft. »Kommt mit zum Essen und laßt ihn schlafen.«
    Die Tränen des Mädchens waren getrocknet; mit bleichen Wangen, doch ruhig folgte sie ihnen in den großen Hof hinaus, den sie überqueren mußten, um die Gemächer des Abtes zu erreichen. Dort wollten sie alle den Gästen aus Wales mit der schicklichen Anmut und Dankbarkeit begegnen, bevor diese wieder nach Montford und Oswestry aufbrachen.
    Beim Mittagsmahl in der Krankenstation, das dort serviert wurde, bevor die Brüder im Refektorium aßen, steckten die Insassen die gealterten, doch neugierigen Köpfe zusammen, um zu ergründen, was die ungewohnte Unruhe in ihrem Reich zu bedeuten hatte. Das Schweigegebot brauchte von Alten und Kranken nicht besonders streng beachtet zu werden, und das war auch gut so, denn aus Mangel an anderen Beschäftigungen neigten sie ohnehin zu unverbesserlicher Geschwätzigkeit.
    Bruder Rhys, ans Bett gefesselt und schon sehr alt, besaß noch einen scharfen Verstand, obwohl sein Augenlicht getrübt war. Sein Bett stand direkt am Flur und in der Nähe des entlegenen Zimmers, in dem am Morgen unter ungewöhnlicher Unruhe und Feierlichkeit ein Neuankömmling einquartiert worden war. Bruder Rhys freute sich darüber, der einzige zu sein, der genau Bescheid wußte. Unter den wenigen Freuden, die ihm geblieben waren, war seine Beobachtungsgabe die größte, die nicht leichtsinnig verschwendet werden durfte. Er lag da und lauschte. Diejenigen, die am Tisch saßen wie einst im Refektorium und sich in der Krankenstation, und manchmal, wenn das Wetter es erlaubte, auch im großen Hof bewegen durften, waren häufig dennoch gezwungen, sich bei ihm zu erkundigen.
    »Wer sollte es schon sein«, sagte Bruder Rhys überheblich, »außer dem Sheriff selbst, der aus der Gefangenschaft in Wales zurückgekehrt ist.«
    »Prestcote?« fragte Bruder Maurice, indem er seinen sehnigen Hals reckte wie ein Ganter, der sich zum Kampf bereit macht. »Hier? In unserer Krankenstation? Warum hat man ihn nur hierher gebracht?«
    »Weil er ein kranker Mann ist, warum sonst? Er wurde in der Schlacht verwundet, und er ist nicht in der Verfassung, für sich selbst zu sorgen oder sich einem anderen Mann zu widersetzen. Ich hörte ihre Stimmen da drinnen - Edmund, Cadfael und

Weitere Kostenlose Bücher