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Lösegeld Für Einen Toten

Lösegeld Für Einen Toten

Titel: Lösegeld Für Einen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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er ihr so jung vor, daß sie, die nie ein Kind geboren hatte, für ihn eher großmütterliche als mütterliche Gefühle verspürte. Der Junge wich erschrocken zurück und blinzelte, als er sie erkannte. Er errötete unter dem grünlichen Schmutz, der sich ihm über Wangen und Stirn gelegt hatte, und streckte flehend eine Hand zum Zaun zwischen ihnen aus.
    »Schwester, ist sie... ist Melicent da drin?«
    »Das ist sie, und sie ist gesund und munter«, entgegnete Schwester Magdalena, »und mit Gottes und Eurer Hilfe und der Hilfe aller anderen unbeirrbaren Seelen, die so eifrig für uns sorgen wie Ihr, wird sie dort auch sicher sein. Ich will nicht weiter fragen, wie Ihr hergekommen seid, Junge, aber ob Ihr nun ausgebrochen seid oder nicht, Ihr seid sehr willkommen.«
    »Ich wünschte bei Gott«, sagte Elis fiebrig, »daß sie in diesem Augenblick in Shrewsbury wäre.«
    »Das wünschte ich auch, aber immer noch besser hier als irgendwo dazwischen. Und außerdem würde sie auch nicht von hier weggehen.«
    »Weiß sie denn«, fragte er demütig, »daß ich hier bin?«
    »Das weiß sie, und sie weiß auch, was Ihr wollt.«
    »Will sie nicht... Könntet Ihr sie nicht bitten..., daß sie mit mir spricht?«
    »Dazu ist sie nicht bereit. Aber sie denkt sich sicher ihren Teil«, meinte Schwester Magdalena aufmunternd. »Wenn ich an Eurer Stelle wäre, dann würde ich sie eine Weile in Ruhe lassen, damit sie nachdenken kann. Sie weiß, daß Ihr hier seid, um mit uns zu kämpfen - darüber kann sie nachdenken. Aber jetzt bleibt besser auf festem Boden und in Deckung. Geht und schärft die Klinge, die man Euch geben mag, und schützt Eure Haut. Diese Verwirrungen dauern nie sehr lange«, sagte sie resigniert, »aber was danach kommt, währt ein Leben lang, Eures und ihres. Nun achtet also auf Elis ap Cynan, und ich gebe acht auf Melicent.«
    Hugh und seine zwanzig Männer hatten die Breidden Hills schon vor der Morgenandacht umrundet und diese gewaltigen, geduckten Erhebungen auf dem Weg nach Westbury rechts liegengelassen. In Westbury bekamen sie einige neue Pferde, doch nicht genug, um alle müden Tiere zu ersetzen. Aus diesem Grund hatte Hugh eine erträgliche Reisegeschwindigkeit eingeschlagen und legte eine Rast ein, damit Männer und Pferde Atem schöpfen könnten. Es war die erste Gelegenheit, ein Wort zu wechseln, doch nun, da sie da war, hatte kein Mann viel zu sagen. Erst wenn das Geschäft, in dem sie unterwegs waren, abgeschlossen und erledigt wäre, würden sich die Zungen wieder frei bewegen. Selbst Hugh, der sich unter den knospenden Bäumen flach auf dem Rücken liegend neben Cadfael ausruhte, fragte diesen nicht nach seinen Aufträgen in Wales.
    »Ich reite mit Euch, wenn ich meine Aufgabe hier abschließen kann«, hatte Cadfael gesagt. Hugh hatte ihn nicht weiter gefragt, und er fragte auch jetzt nicht; vielleicht, weil seine Gedanken ausschließlich um das kreisten, was getan werden mußte - nämlich die Waliser von Powys nach Caus und noch weiter zurückzutreiben. Vielleicht auch, weil er diese andere Angelegenheit hauptsächlich für Cadfaels Sache hielt und bereit war zu warten, bis dieser ihm die endgültige Aufklärung geben konnte.
    Cadfael lehnte den schmerzenden Rücken gegen den Stamm einer Eiche, die gerade die ersten festen Blattknospen ausbildete, bewegte die wunden Füße in den Stiefeln und spürte seine einundsechzig Jahre. Er fühlte sich um so älter, da all die bejammernswerten Geschöpfe, die in diesem Gewirr von Liebe und Schuld und Schmerz hierhin und dorthin gezogen wurden, so jung und verletzlich waren. Alle bis auf das Opfer, Gilbert Prestcote, der in hilfloser Schwäche gestorben war und für den Hugh, weil er es mußte, Vergeltung fordern würde. Es konnte keine Milde geben, dafür war kein Raum. Hughs Herr war getötet worden, und Hugh wollte die Schuld beglichen sehen. Es war seine Pflicht, er hatte keine Wahl.
    »Auf!« sagte Hugh, der schon über ihm stand und jenes abwesende, doch wohlmeinende Lächeln zeigte, das wie ein Reflex an der Oberfläche seines Bewußtseins aufblitzte, während seine ganze Sorge etwas anderem galt. »Die Augen auf! Wir reiten weiter.« Und er streckte eine Hand aus, um Cadfaels Handgelenk zu packen und ihn auf die Beine zu ziehen, so sanft und vorsichtig, daß Cadfael beinahe beleidigt war. So alt und so steif war er doch noch gar nicht! Aber er vergaß seinen kleinen Kummer, als Hugh sagte: »Ein Schafhirte aus Pontesbury hat eine Nachricht gebracht.

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