Lösegeld Für Einen Toten
dem eigenen Leib geschützt«, sagte sie leise und bewundernd. »So sehr liebte er ihn!«
Und so sehr liebt sie ihn, dachte Cadfael, daß sie auf ganz ähnliche Weise aus der Deckung gestürmt war und trotzig und zornig geschrien hatte. Um den Mörder ihres Vaters zu verteidigen? Oder glaubte sie das schon lange nicht mehr, egal, welch drückende Beweise gegen Elis sprachen? Vielleicht hatte sie auch ganz einfach alles andere vergessen, als sie Elis so mutig am Ufer stehen sah. Alles bis auf die drohende Gefahr und ihre Angst um ihn.
Es war nicht nötig, daß sie das, was jetzt kam, noch weiter miterleben mußte. »Geht und holt mir meinen Ranzen vom Sattel da drüben«, sagte Cadfael, »und bringt mir noch mehr Tuch, damit wir die Wunden der beiden abdecken und verbinden können; wir brauchen viel Verbandszeug.«
Sie blieb lange genug aus, damit er den Pfeilschaft fest packen und schnell und kraftvoll aus der Wunde ziehen konnte, während er eine Hand gegen Eliuds Rücken stemmte. Trotz Cadfaels Vorsicht stieß Eliud einen scharfen, schmerzerfüllten Schrei aus. Der Blutschwall, der darauf folgte, ließ rasch nach.
Es war eine saubere, glatte Wunde, und gesundes Fleisch schließt sich rasch über Rissen; aber man konnte nicht sicher sagen, welcher Schaden im Innern des Körpers angerichtet worden war. Cadfael hob Eliud vorsichtig zur Seite, damit die beiden besser atmen konnten. Ihre ineinander verflochtenen Arme gaben nur widerstrebend nach. Er drückte ein sauberes Tuch auf die Wunde Eliuds und legte ihn vorsichtig auf den Rücken. Melicent kam mit den Dingen zurück, um die er gebeten hatte; wild und verschmutzt sah sie aus, mit bleichem, entschlossenem Gesicht. An ihren Händen und Handgelenken klebte getrocknetes Blut, ihre Tracht war am Saum und am Knie hart und krustig und ihre Haube lag, ein gefleckter roter Ball, im Gras. Es spielte keine Rolle. Sie würde niemals diese oder irgendeine andere Haube mehr tragen.
»Wir schaffen die beiden am besten hinein, wo ich sie ausziehen und die Wunden richtig reinigen kann«, sagte Cadfael, als er sicher war, daß die heftigste Blutung gestillt war.
»Geht und fragt Schwester Magdalena, wohin wir sie legen können, und ich suche unterdessen ein paar kräftige Männer, die mir beim Tragen helfen.«
Schwester Magdalena hatte mehrere Zellen in der Klause räumen lassen, und nun, da Furcht und Kampf vorbei waren, hielten sich Mutter Mariana und die Nonnen des Hauses bereit, um alles Nötige herbeizuholen, um Wasser aufzuwärmen und kleinere Verletzungen zu verbinden. Man trug Elis und Eliud ins Haus und legte sie in benachbarte Zellen, denn wenn man die beiden Liegen nebeneinandergestellt hätte, wäre für Cadfael und seine Helfer zu wenig Platz geblieben, um sich frei zu bewegen. Dies galt um so mehr, als auch John Miller, der die Schlacht ohne Kratzer überstanden hatte, zu den Helfern zählte. Der sanfte Riese konnte nicht nur kräftige junge Männer wie Kinder hochheben, er hatte auch bei Verletzungen eine zupackende, sichere Hand.
Sie kleideten Eliud zu zweit aus, indem sie die Kleider aufschnitten, um ihm schlimmere Schmerzen zu ersparen.
Dann wuschen und versorgten sie die Wunden auf Rücken und Brust und legten ihn mit gepolstertem und ruhiggestelltem rechtem Arm auf die Liege. Beim Vorsturm der Waliser ans Ufer war er niedergetrampelt worden, und nun zeichneten sich überall schwarze Blutergüsse ab, doch hatten die trampelnden Füße anscheinend keine Knochen gebrochen. Die Pfeilspitze war auf der rechten Brustseite unterhalb der Schulter wieder ausgetreten und hatte dann Elis' Oberarm durchbohrt. Cadfael überlegte, welche Organe der Pfeil verletzt haben könnte und schüttelte angesichts der Chancen von Leben oder Tod zweifelnd, aber nicht ganz hoffnungslos den Kopf. Er würde bei Eliud bleiben und den ganzen Abend bei ihm sitzen - wenn nötig auch die Nacht -, um die Rückkehr von Bewußtsein und Verstand abzuwarten. Ob der Junge nun lebte oder starb, es gab Dinge, die sie einander zu sagen hatten.
Elis war ein anderes Kapitel. Er würde überleben, sein Arm würde heilen, seine Ehre würde gerettet und sein Name von jedem Makel rein sein, und soweit Cadfael sehen konnte, gab es keinen Grund dafür, daß er Melicent nicht bekommen sollte. Kein Vater, der es ihm verweigern konnte, kein Oberherr, der ein Vorrecht auf das Mädchen besaß, und Lady Prestcote würde gewiß nicht im Wege stehen. Und wenn Melicent schon an seine Seite geeilt war, bevor der
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