Löwenherz. Im Auftrag des Königs
haben, die für einen beteten.
»Na, Bruder, weit weg von zu Hause?«
Der Reisende nickte und leerte den dargebotenen Becher in einem Zug. »Sehr weit«, sagte er dann und leckte sich über die Lippen.
»Ah, du stammst aus Irland.« Der Schankgast hatte den Akzent erkannt. Auch die Trinkfestigkeit des Reisenden sprach für seine Herkunft.
»Bin lange nicht mehr dort gewesen«, erklärte der Mönch und streckte die Füße in Richtung Feuer aus.
»Heute Nachmittag hättest du hier sein sollen, Bruder«, rief jemand. »Du hast was versäumt.«
»Was denn? Einen Engländer, der einem irischen Klosterbruder einen zweiten Schluck Wein anbietet?«
»Bestimmt nicht«, sagte der mit dem leeren Becher.
»Einen Normannen, der sich von zwei Kindern den Schneid hat abkaufen lassen.«
Der Mönch grinste. »Heiliger Columban, sind dazu wirklich zwei angelsächsische Kinder nötig? In Irland reicht ein Säugling.«
»Hört, hört!«, brummte eine Stimme mit normannischem Akzent.
»Guy de Gisbourne«, sagte einer der Gäste auf der Kaminbank in verschwörerischem Ton. »Der Bluthund von Sheriff de Laci. Der Sheriff ist ein Stinker wie alle Normannen, aber das ist man ja gewöhnt. Sire Guy hingegen …« Der Mann ballte eine Hand zur Faust und streckte Zeigefinger und kleinen Finger aus. »… der Stinker eines Stinkers, wenn du’s wissen willst, Bruder.«
»So offen und frei, wie du hier deine Meinung verkündest, müssen der Sheriff und seine Leute diesen Ort schon wieder verlassen haben«, sagte der Mönch.
»Hört, hört!«, brummte der einsame Normanne wieder, aber diesmal klang es erfreut.
»Ja, sie sind weg und der Teufel soll sie holen!«, knurrte der Mann neben dem Mönch.
»Und was ist nun geschehen, dass ein normannischer Edelmann vor zwei Kindern den Schwanz eingekniffen hat?«, fragte der Mönch nach einer kleinen Pause. Er klang halb interessiert – wie jemand, der nur deshalb ein Gespräch in Gang hält, weil er auf einen weiteren Schluck Wein hofft.
Die Schankgäste erzählten eine reichlich aufgebauschte Version des vergangenen Nachmittags, in der eine ganze Rotte tollwütiger Hunde, eine Peitsche mit einer Flammenschnur und ein Guy de Gisbourne vorkamen, der zweieinhalb Meter groß war und Hörner auf der Stirn trug.
Der Mönch schüttelte amüsiert den Kopf. »Gott der Herr lässt seltsame Dinge geschehen, um uns die Gnade seiner Liebe zu beweisen«, sagte er.
Die Schankgäste, die eher eine Lobpreisung angelsächsischen Mutes als göttlicher Gnade erwartet hatten, murmelten ein enttäuschtes »Amen« und wandten sich von dem Neuankömmling ab. Dieser hatte sich mittlerweile die schlammverkrusteten Sandalen ausgezogen und massierte seine nicht weniger verkrusteten Zehen. Nach kurzer Zeit schien es, als wäre er schon immer da gewesen. Und als der Wirt einen Kessel mit Eintopf brachte, stellte der Mönch sich wie selbstverständlich mit einer Holzschüssel in die Reihe, obwohl der Wirt von ihm gar nicht abkassiert hatte.
Der Eintopf war den eingeforderten Viertelpfennig nicht wert. Der Mönch löffelte ihn still in sich hinein. Seine gute Laune und seine Vorstellung des rustikalen Iren endeten in dem Moment, als niemand ihn mehr beachtete. Angelsachsen und Normannen hielten die Iren für Spaßmacher und Trunkenbolde. Es war nicht die schlechteste Tarnung, den Menschen das zu bieten, was sie erwarteten. Sie vergaßen einen dann schneller wieder. Und Bruder Brion kam es sehr entgegen, wenn die Leute sich sein Gesicht nicht merkten.
Er hörte die Stimme von Lady Diane in seinem Kopf widerhallen: Mir ist es egal, wer sie findet und ob er sie an den Haaren herbeischleift! Die Kinder haben ihre Pflicht zu erfüllen. Victor, Ihr nehmt Euren Knappen und reitet auf der Straße nach Norden. Bruder Brion, Ihr nehmt die Straße nach …
Ich nehme die Straße nach Süden, hatte Bruder Brion gesagt.
Lady Diane hatte nur kurz gestutzt. Na, meinetwegen. Dann reitet Sir Harold mit seinen Leuten nach Westen, und Ihr, bei diesen Worten hatte der Anführer der Burgmannen sofort strammgestanden, reitet nach Osten zur Küste. Wer weiß, wozu die dumme Göre ihren Bruder überredet hat! Am Ende wollen sie noch ein Schiff stehlen.
Bruder Brion hatte bei sich gedacht: Nein, wollen sie nicht. Ihr kennt Eure Tochter kein bisschen, Lady Diane. Aber ich umso besser.
Nun hatte er die Flüchtlinge um ein Haar verpasst. Ohne den Vorfall mit Sire Guy hätte Bruder Brion die beiden ohne Schwierigkeiten gefasst. Und das,
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