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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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verschwunden war.
    Dann wandte er sich dem gefesselten Jungen zu, der im Gebüsch lag und wütend zu ihm aufblickte. Die schwarze Gestalt ging in die Hocke.
    »Keine Sorge, mein Junge«, sagte der Mann auf Irisch. »Dir passiert nichts. Ich kann dich nur noch nicht freilassen, weil du sonst ins Lager rennst und verrätst, dass ich hier bin. Eine Nacht im Freien wird dich nicht umbringen und dafür sorgen, dass du in Zukunft vorsichtiger bist, bevor du dich von einem Fremden überwältigen lässt. Deine Leute werden dich erst mal nicht vermissen. Sie werden denken, dass du dich wegen eurem blöden Streich nicht ins Lager traust.«
    Die schwarze Gestalt, die niemand anderer war als Bruder Brion, tätschelte dem Gefangenen die Wange. Er lächelte. »Ja, ja«, seufzte er dann. »Wär ich nur ein paar Augenblicke schneller gewesen. Aber ich kriege die beiden, und wenn ich sie mitten aus eurem Lager entführen muss. Danke übrigens, dass du mir den Bogen geliehen hast, Kleiner! Deine Pfeile sind allerdings lausig.«
    Er stand so unvermittelt auf, dass der Gefangene zusammenzuckte, hob den Bogen, spannte ihn und schoss. Der Pfeil durchtrennte das Seil, das noch immer über den Fluss gespannt war, so sauber wie ein Messer. Die Augen des Gefangenen traten hervor.
    Brion zwinkerte ihm zu. »Man muss schon richtig gut sein, um mit diesen Dingern irgendwas zu treffen«, sagte er. Dann verschwand er lautlos wie ein Gesetzloser zwischen den Bäumen.

13
    N achdem sie eine Weile marschiert waren, hielt der Trupp an, und John Miller befahl, Edith und Robert die Augen zu verbinden. Danach drehte man sie mehrmals um die eigene Achse, bis sie die Orientierung verloren, und zwang sie dann weiterzugehen. Edith stolperte über knackende Äste und harte Steine, über weichen Waldboden und feuchtes Moos. Als sie das Lager der Entführer erreichten, hatte sie schon jegliches Zeitgefühl verloren. Nun wurden ihr und Robert die Augenbinden abgenommen.
    Die Gesetzlosen hausten in einer Höhle, die von sich übereinandertürmenden Findlingen gebildet wurde. Oben auf dem Fels krallten sich Bäume in eine dünne Humusschicht. Leichter Rauchgeruch drang aus Spalten zwischen den Felsen.
    Edith war erstaunt zu sehen, dass in den hohen alten Bäumen um die Höhle herum ebenfalls Lager eingerichtet waren. Mit Blattwerk und Zweigen getarnt, wirkten sie wie riesige Vogelnester. Man musste schon sehr nahe herankommen, damit man sie mit dem bloßen Auge erkennen konnte.
    Robert flüsterte aus dem Mundwinkel: »Das ist ja ein richtiges Dorf!«
    Er hatte Recht. Edith hatte bestenfalls ein paar flache Schlafgruben erwartet, die um ein Feuer herum in den Boden gescharrt worden waren, und finstere, verwahrloste Männer. Stattdessen war die Höhle behaglich ausgepolstert mit Schaf- und Kuhfellen wie auch dem einen oder anderen Pelz, den ein reicher Durchreisender unfreiwillig gespendet haben musste. Frauen und Kinder saßen um mehrere Feuerstellen, es roch nach Haferbrei und Suppe, und irgendwo sang eine helle Stimme ein Lied. Einige Frauen blickten argwöhnisch drein. Wahrscheinlich irritierte sie, dass die Gefangenen noch halbe Kinder waren. Ein kleines Mädchen starrte Edith mit offenem Mund an und winkte dann schüchtern. Edith winkte ratlos zurück. Die Kleidung der Menschen war zerschlissen, aber sauber; die Kinder wuschen sich offenbar regelmäßig das Gesicht, während ihr Haar struppig und verfilzt war. Die Stimmung schien heiter und sorglos.
    John Miller führte Robert und Edith zu einem der Feuer, wo ihnen sofort Platz gemacht wurde. Dann nickte Miller seinem Sohn zu und ließ seine Gefangenen zurück. Johnny Greenleaf folgte ihm mit hängenden Schultern. Jemand reichte erst Robert und dann Edith eine Holzschüssel mit dünner Suppe. Immerhin war sie heiß und Edith nahm sie dankbar entgegen. Löffel gab es keine; sie mussten die Suppe direkt aus der Schüssel schlürfen.
    Edith spürte neugierige Blicke auf sich, aber niemand sprach sie an. Dann kamen John Miller und Johnny Greenleaf zurück; beide trugen Pelze über dem Arm. Johnny hatte sich zudem noch ein langes Leinenhemd über die Schulter gehängt. Er ließ den Pelz vor ihr zu Boden fallen und hielt Edith linkisch das Hemd hin.
    »Trockene Sachen«, sagte er schüchtern.
    »Und wo soll ich mich umziehen? Hier am Feuer?«
    Johnny blickte ratlos von den Pelzen zu Edith und wieder zurück.
    Eine der Frauen stand auf und sagte: »Kommt, Mylady, ich zeige Euch einen geschützten

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