Löwenherz. Im Auftrag des Königs
Platz.«
»Wenigstens ein Mensch hat hier Manieren«, sagte Edith. »Der Anführer dieses Haufens und sein Sohn sind ausgemachte Büffel!«
»Ja«, sagte die Frau, ohne mit der Wimper zu zucken, »mein Mann und mein Sohn sind keine leuchtenden Beispiele höfischer Verfeinerung.«
»Ahem«, machte Edith und folgte Johnny Greenleafs Mutter beschämt tiefer in die Höhle.
Als sie zurückkam, den Pelz eng um das viel zu große Hemd geschlungen, waren Johnny Greenleaf und sein Vater in heftigen Streit geraten.
»Das kannst du nicht machen!«, rief Johnny. »Eigentlich müsstest du ihnen danken. Ohne sie hätte mich der verfluchte Sire Guy in Streifen geschnitten!«
»Wie oft willst du mir noch erzählen, dass du dich benommen hast wie ein hilfloser Hundewelpe?«, brummte John Miller.
Beeindruckt registrierte Edith, dass sich der Sohn durch die demütigenden Vorwürfe nicht einschüchtern ließ.
»So oft es nötig ist, um dir begreiflich zu machen, dass du Unrecht tust!«
»Unrecht? Ist das vielleicht kein Unrecht, was uns widerfahren ist? Wir hatten eine Mühle, ein Auskommen, wir waren geachtet, und jetzt verbringen wir unsere Zeit im Wald mit Stehlen und in …« John Miller brach ab.
»… in schlechter Gesellschaft?«, vollendete sein Sohn den Satz. »Wolltest du das sagen?«
John Miller lief rot an vor Wut. Die Männer und Frauen am Feuer wechselten unbehagliche Blicke.
»Du hältst jetzt sofort die Klappe oder ich …«
»Was? Suchst du nach einer Peitsche, um Sire Guys Werk zu vollenden?«
John Miller sprang auf. Johnny Greenleaf erhob sich ebenfalls. Seine Mutter war schneller als alle beide. Schon stand sie zwischen ihnen, stemmte die Hände in die Hüften und brüllte so laut, dass es von den Wänden der Höhle widerhallte: »Ruuuheee!«
Sowohl Johnny als auch sein Vater zuckten zurück. In diesem Moment hätte man einen Strohhalm fallen hören.
»Schämen muss man sich für euch beide!«, rief Johnnys Mutter. »Weißt du, was deine junge Gefangene über euch gesagt hat? Dass ihr Büffel seid!«
Einige Leute grinsten. Edith senkte verlegen den Kopf.
»Und weißt du was? Sie hat Recht!« Sie fuhr herum und ging mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Johnny los. »Und du, du Rotzlöffel! Was fällt dir ein, deinem Vater zu widersprechen, noch dazu vor aller Ohren? Wenn er nicht wäre, würde die Hälfte von uns längst am Galgen baumeln!«
Johnny stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Ich kann dieses ewige Gejammere über vergangenes Unrecht nicht mehr ertragen!«, maulte er. »Warum gehen wir nicht hin und plündern Sire Guys Haus, um es zu sühnen? Durch Überfälle und Lösegeldforderungen wird unsere Lage auch nicht besser.«
»Was bleibt uns denn anderes übrig als das Leben von Gesetzlosen?«, sagte seine Mutter mit gesenkter Stimme.
»Warum geht ihr nicht zu König Richard?«, schlug Edith vor.
»Um was zu tun?«
»Damit er euch Recht verschafft.«
»König Richard ist ein Normanne«, warf John Miller bitter ein. »Er wird zu Sire Guy und dem Sheriff halten, denn sie sind seinesgleichen. Außerdem wird er abgerissene Strauchdiebe wie uns gar nicht erst anhören.«
»Kommt mit uns«, sagte Edith. »Auch wir haben ein Gesuch an den König. Unsere Familie ist mit Richard verwandt. Er wird uns empfangen – und wenn ihr uns begleitet, muss er euch genauso anhören!«
John Miller blickte in die Runde. Einige seiner Leute schüttelten die Köpfe, einige zuckten mit den Schultern. John Miller schien mit sich zu ringen.
»Unsinn!«, brummte er schließlich. »Unsere Chance, gehört zu werden, ist gering. Viel wahrscheinlicher ist, dass Ihr Euch für die Gefangennahme rächt, indem Ihr uns an den König verratet. Dann landen wir gleich im Kerker. Oder schlimmer noch: Ihr habt von vornherein gelogen und seid gar nicht mit König Richard verwandt, und das alles ist bloß ein Trick, damit ich Euch freilasse. So dämlich bin ich nicht.«
»Ich sage die Wahrheit«, rief Edith.
John Miller winkte ab. »Morgen teilt Ihr uns mit, an wen wir die Lösegeldforderung schicken sollen. Und jetzt haltet Euch besser still, wenn Ihr nicht wollt, dass ich Euch knebeln lasse.«
»Bitte!«, flehte Edith. »Wir müssen so schnell wie möglich nach London. Lasst uns frei!«
John Miller wandte sich ungerührt ab.
Niedergeschlagen rutschte Edith an Roberts Seite und kuschelte sich in ihren Pelz. Robert kämpfte sichtlich gegen den Schlaf. Seit ihrer Flucht aus Kyme waren sie kaum zur Ruhe gekommen und der
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