Löwenherz. Im Auftrag des Königs
Grinsen war so breit wie das eines Hofnarren. »Es sind jetzt nur andere, die Euch das Geld abnehmen.«
Sie maßen einander mit Blicken.
»Ihr seid ja eine feine Gesellschaft!«, murmelte Edith schließlich.
»Irrtum! Leute wie Ihr und Sire Guy sind die feine Gesellschaft! Ihr seid Angelsachsen? Was habt Ihr mit dem Normannenpack zu schaffen, während unsereinem Haus und Hof unterm Hintern angezündet werden?«
»Die Lady und ihr Bruder haben …«, begann Johnny Greenleaf von Neuem.
»Ich sag’s dir nicht noch einmal: Halt den Mund, Sohn! Mit dir hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen, wenn wir im Lager zurück sind. Was fällt dir ein, die anderen Jungs dazu anzustacheln, Reisenden aufzulauern?«
»Ihr macht aber doch auch nichts anderes!«, rief Johnny trotzig.
»Ja, aber wir sind erwachsene Männer. Und wenn’s nun Soldaten oder Ritter gewesen wären statt zweier adliger Hänflinge? Dann hätten die euch kaltgemacht, noch bevor ihr hättet sagen können: Oh, entschuldigt, Mylords, wir haben uns geirrt!«
John Miller war immer lauter geworden. Am Ende hatte er gebrüllt. Edith fühlte sich ein wenig an die Strafreden ihrer Mutter erinnert. Aber es gab einen entscheidenden Unterschied: Aus John Millers Worten konnte man deutlich die Angst um seinen Sohn heraushören.
»Die Lady und ihr Bruder haben uns vor Sire Guy gerettet!«, sagte Johnny. »In der Herberge!«
John Miller stutzte. »Was …«
»Ich versuch’s dir doch die ganze Zeit zu erklären. Der Überfall war nur Spaß – wir wollten die beiden bloß ein bisschen ärgern.«
»Ihr habt euch schon mal bedankt, ein zweites Mal wär nicht nötig gewesen«, brummte Edith.
»Warum hat sie dann nach Sire Guy gerufen?«, fragte John Miller.
»Ich habe ihn nicht gerufen, sondern verspottet!«, rief Edith. »Sire Guy ist unser Feind!«
»Sire Guy ist jedermanns Feind«, warf einer der Kumpane von John Miller ein.
»Ihr habt meinen Sohn gerettet?«, begann John Miller.
»Sire Guy hätte uns tot geprügelt«, brachte Johnny hervor. »Sie ist dazwischengegangen. Und ihr Bruder hat gedroht, Sire Guy und seinen Hund zu erschießen. Du hättest ihn sehen sollen, Vater – er hatte zwei Pfeile gleichzeitig auf der Sehne, und seine Hand war so ruhig wie die einer Statue, und sein Bogen war so weit gespannt, dass das Holz zu brechen drohte …«
Bei diesen Worten richtete sich Robert kerzengrade auf. Zähneknirschend musste Edith mit anhören, wie ihr Bruder allen Ruhm für die Rettungstat einheimste.
»Meine Fresse …«, sagte der Mann, der zuvor über Sir Guy gelästert hatte.
John Miller legte den Kopf schief und ließ seinen Blick von Edith zu Robert und wieder zurück wandern. »Dann seid willkommen hier im Barnsdale Forest, Mylord und Mylady! Wir sind Gesetzlose, wie ihr schon erraten habt – vertrieben von den Leuten des Sheriffs, enteignet, eingesperrt, aus dem Gefängnis geflohen. Wir wildern im königlichen Forst und rauben durchreisende Trottel aus … und tun auch sonst alles, was normannischen Gesetzen widerspricht.«
»Ich hab einen Steuereintreiber umgebracht«, sagte der Zwischenrufer von vorhin.
»Hast du nicht«, sagte ein anderer. »Der Steuereintreiber hat dich vermöbelt und ist dann mit deiner Frau abgehauen.«
Edith war erleichtert. »Wir sind Edith und Robert de Kyme. Unser Vater ist im Heiligen Land und wir sind unterwegs nach London.«
»Schön«, sagte John Miller. »Mylord und Mylady de Kyme, Ihr kommt mit in unser Lager.«
»Danke, dass Ihr uns beherbergt«, sagte Edith.
John Miller schüttelte den Kopf. »So kann man’s auch nennen. Nein, wir nehmen Euch mit, damit Ihr uns nicht davonfliegt. Eins ist klar – freilassen werden wir Euch nur gegen ein dickes Lösegeld von Eurer Familie.«
12
D ie Gesetzlosen marschierten los, die Gefangenen in ihrer Mitte. Johnny Greenleaf trottete niedergeschlagen neben seinem Vater her. Sein Gesicht verriet, dass er sich dafür schämte, wie schäbig Ediths und Roberts gute Tat in der Herberge von seinen eigenen Leuten vergolten wurde.
Die Gruppe bewegte sich beinahe lautlos fort. Nur Ediths wütender Protest gegen die Verschleppung war zu hören. Dann verklang auch ihr Rufen, bis nur noch die Geräusche der Waldtiere in der Dämmerung zu hören waren. Am anderen Flussufer trat eine schwarze Gestalt hinter einem Baum hervor. Sie ließ den Bogen sinken, mit dem sie die ganze Zeit über auf John Miller gezielt hatte. Nachdenklich starrte der Fremde dorthin, wo die Bande
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