Löwenherz. Im Auftrag des Königs
veränderten Verhältnisse am Namen der gestürzten Königin für sein Schiff festhält, ein treuer Anhänger des Hauses Plantagenet und damit König Richards sein muss. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt, aber welche Wahl hatten wir schon?«
»König Richard scheint dir ja fast alles über sich erzählt zu haben«, sagte Robert grinsend.
Edith zuckte mit den Schultern. Unwillkürlich blickte sie zu Johnny hinüber, aber dessen waidwunder, resignierter Blick zwang sie dazu, sich abzuwenden.
»Nicht alles«, flüsterte sie kaum hörbar. »Nicht das, was ich wirklich wissen wollte.«
DRITTER TEIL
DIE BURG DES ELEFANTEN
WINTER 1189
1
J ohn Miller hing am Wasserrad seiner Mühle, wissend, dass er eigentlich zu schwer und zu alt dafür war, sich wie ein Eichhörnchen an das Mühlrad zu klammern. Er fluchte darüber, dass sein Sohn Johnny nicht da war, um ihm zu helfen. Er war durchnässt vom Wasser, das aus dem hölzernen Rohr auf die Oberseite des Rads plätscherte. Er bibberte in der Frühwinterkälte – und war doch der glücklichste Mann der Welt, denn er hatte seine Mühle wieder. König Richard, oder besser: des Königs Kanzler, hatte Wort gehalten. Das Dasein als Gesetzlose war für John und seine Gefährten vorbei. Nicht dass er in den letzten Wochen nicht ein paarmal so etwas wie Sehnsucht nach der Höhle im Barnsdale Forest bekommen hätte. Doch in solchen Augenblicken war er jedes Mal rasch vor die Tür getreten und hatte das Mühlrad betrachtet und sofort wieder gewusst, wo er eigentlich hingehörte.
Und wenn das – Ächz! – verdammte Ding endlich wieder funktionierte – Wieso klemmt hier immer noch was!? –, dann würde er vollends in sein altes Leben zurückkehren – Im Zweifelsfall draufhauen, so ein störrisches Teil versteht nur rohe Gewalt! – und wieder John der Müller sein, von allen geachtet und – Wo ist der verfluchte Hammer? Ah, hier! Jetzt aber mit Schwung! – ein Mann, auf den Gott mit Wohlgefallen sah. So! Mit aller Kraft! Volltreffer!
Als ein Mann und eine Frau ihre Pferde den steilen Abhang heruntertrieben und vor der Mühle auf dem Grund des engen Taleinschnitts anhielten, hockte John Miller immer noch neben dem Mühlrad und kühlte seinen lädierten Daumen im eiskalten Wasser des Bachs. Er sah hoch.
»Verletzt?«, fragte der Mann und grinste breit.
John Miller, der den Hammerschlag auf seinem Daumen bis in die Zahnwurzeln spürte, lag eine bissige Erwiderung auf der Zunge. Aber er beschloss, seine neu gewonnene Freiheit nicht gleich bei der erstbesten Gelegenheit aufs Spiel zu setzen. Das Paar sah ganz nach Herrschaft aus, der Mann hatte einen normannischen Akzent, und was nun den Abhang herunterkam, war offensichtlich das Gefolge. Daraus wiederum schloss John Miller, dass er es mit vermögender Herrschaft zu tun hatte.
»Ja, Sir«, sagte er daher nur und gab sich einen Herzschlag lang dem Gedanken hin, dass er vor wenigen Wochen noch Reisende wie diese ausgeraubt und dabei dreckig gelacht hätte. »Ist nicht schlimm, Sir.«
»Du bist John Miller, richtig?«
»Ja, Sir.« Plötzlich dämmerte John, dass er den Mann kannte. »Ihr seid doch …«
Die Frau drängte sich nach vorn. »Wo sind meine Kinder, John Miller?«
»Ist seid Victor d’Aspel und … äh … Lady Diane, nicht wahr?«
» Lord Victor«, sagte Victor.
John ignorierte ihn und musterte stattdessen Diane. Sie war geschminkt wie für einen hohen Anlass. Das Gebinde, das ihre reich bestickte Kappe auf dem Haar festhielt, legte sich in tausend feine Falten, Kleid und Mantel waren teuer und ihre Handschuhe aus feinstem Wildleder. Sie sah so kühl und schön aus wie eine Marmorstatue, aber ihre Augen flackerten.
»Wo sind meine Kinder? Du hast keine Lösegeldforderung abgeschickt!«
Vorsichtig sagte John: »Ich habe vor vielen Wochen keine Lösegeldforderung abgeschickt.«
Diane reagierte nicht auf diese spitze Bemerkung. »Wo sind die Kinder?!«
Aus der Mühle trat John Millers Frau. Nach einem kurzen, abschätzenden Blick auf die Neuankömmlinge verschwand sie im Haus und kehrte dann mit zwei Bechern zurück. John ahnte, dass darin der Wein war, auf den er sich eigentlich zum Abendmahl gefreut hatte. Verdrossen erhob er sich und presste seinen pochenden Daumen unter die Achsel. Seine Frau, die ewig darauf bedacht war, Anstand und Sitte zu gehorchen! Es war ja klar, dass sie sogar diese verdammten Normannen willkommen heißen würde. Nur gut, dass der Wein nicht auch noch für das
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