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Loewenstern

Loewenstern

Titel: Loewenstern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adolf Muschg
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nicht Ludmilla, Pjotr Petrowitsch, Sie müssen schlafen! – Nur mit dir! lallte er, zerrte ihr den Mantel vom Leib und versuchte, sie gegen sein Lager zu drücken, aber jetzt widerstand sie aus Leibeskräften, brachte ihn ins Stolpern und schob ihn geradewegs auf sein Bett. Als er sich wieder aufrichtete, drückte sie ihn nieder, zerrte ihm die Stiefel ab, hob seine Beine über die Kante und warf eine Decke über ihn. Schlafen Sie! befahl sie scharf, doch nicht zu laut, eingedenk des stillen Mannes hinter der Wand; Rikord wälzte sich ächzend zur Seite.
    Sie wartete, bis sie seinen rauhen Atem regelmäßig gehen hörte. Dann kehrte sie in den Salon zurück und warf das Winterzeug ab; solange Kahei aufrecht saß, mußte er ja noch leben. Sie war entschlossen, die Nachtwache fortzusetzen, bis auch er sein Lager suchte, und nahm das Buch wieder vor. Aber die Zeilen wurden nicht heller, und bald verwirrten sie sich endgültig.
    Wie lange sie diesmal gedämmert hatte, wußte sie nicht, bis sie ihren Namen gesprochen hörte – Nadeschda! klar, aber nicht laut. Sie fuhr auf und erschrak noch einmal, sie sah eine Erscheinung. In der Tür zu Rikords Zimmer stand ein nackter Mann. Seine Züge waren blaß, aber seine Augen klar. Um seine Lippen zuckte die Spur eines Lächelns, doch zitterte er jetzt am ganzen Leib, und sie sah, es war das Zittern der Begierde. Er hatte die Arme geöffnet und sagte ein Wort, das sie von ihm noch nie gehört hatte: OIDE.
    Für das, was weiter geschah, gab es kein zweites Mal. Seither blieb Nadeschda unberührt.
    Und Kahei? fragte ich.
    Ich hatte ihn vergessen. Er war unser Zeuge.
    Eine Woche vor Ausfahrt der
Diana
stand Ludmilla vor der Tür,Rikords Braut. Ich half ihr, sich in Petropawlowsk zurechtzufinden. Ich habe sie vom ersten Augenblick an geliebt. Sie brauchte nicht lange, um zu sehen, was es für die Frau eines Gouverneurs von Kamtschatka zu tun gab. Sie war ein Segen für die Leute, und auch die erste, die mir ansah, daß ich schwanger war. Dann kamen die Russen aus Japan zurück, endlich frei! Es ging hoch her. Ich gehörte nicht mehr dazu, wie Moor. Ich bekam ihn zur Pflege. Er war aus der Welt gefallen wie ich. Ich hoffte, daß er mich tötet, aber er verabschiedete sich allein. Als er weg war, ging ich auch. Ich war dem Kind schuldig, es zur Welt zu bringen. Vor Rikords Hochzeit verschwand ich nach Bolscheretsk und wohnte im Haus des neuen Popen. Drei kleine Kinder, die Frau kränkelte, und ich arbeitete bis zur Erschöpfung. Entweder ich verlor das Kind, oder ich lernte, wie man mit Kindern umgeht. Aber bei mir schrien sie nur. Ich war ja selbst ein verlorenes Kind. Aber meins behielt ich immer noch. Im neunten Monat half ich im Stall, mitten in der Nacht, man erwartete die Geburt eine Kalbes. Aber ich kam noch früher, auf einer Lage Stroh. Der Knecht rannte nach der Hebamme, die hatte selbst kürzlich geboren; aber als sie erschien, hatte ich es schon hinter mir, allein. Xenja wollte meine Brust nicht nehmen. Da stillte die andere Frau sie, und ich bekam das Kind zum Wiegen. Dabei ist es geblieben. Als ich reisen konnte, brachte ich Xenja mit ihrer Amme nach Petropawlowsk.
    Zu ihrem Vater? fragte ich.
    Zu Ludmilla. Sie wußte Bescheid. Das Kind hat seine Augen und glich ihm jeden Tag mehr. Und Rikord hat ihr gesagt, was es zu sagen gab. Hätte er’s verschwiegen, Ludmilla hätte ihn verlassen, auch nach der Hochzeit. Jetzt war sie es, die mich rief. Und ich kam, denn das Kind brauchte eine Mutter. Sie haben sich gleich gefunden. Xenja hat den beiden Glück gebracht, sie wurde ein Kind des Hauses, eine Prinzessin. Und sie behielt meinen Namen. Nun war ich entlassen.
    Wohin?
    Petersburg. Ich versuchte Schauspielerin zu werden, aber für eine Liebhaberin war ich zu alt, und für eine Charakterrolle nichtreif genug. Dann wurde Rikord Kommandant von Petersburg, und ich zog eine Nummer weiter.
    Ihre Tochter haben Sie nicht mehr gesehen?
    Ludmilla hat ihr Bild für mich malen lassen. Sie ist eine Tochter Benjowskis, lächelte Nadeshda, aber sie hat Glück. Seine Hände hat sie nicht geerbt.
    Sie zogen weiter – wohin?
    Sie öffnete beide Hände, als hielten sie ein Geschenk, und betrachtete sie. Dann stand sie auf, ging auf mich zu, legte die Hände um meinen Hals, und ihre Finger prüften den Adamsapfel, behutsam wie früher die Bißwunde.
    Zu Ihnen, Ermolai Löwenstern, sagte sie.
    Nadeschda, fragte ich, was sollen wir hier?
    Auf einmal preßte sie meinen Hals zusammen, mit aller

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