Loewinnenherz
Ausbildung bezahlt wird.
Deutschland muss dringend umdenken. Jedem Jugendlichen und Erwachsenen muss eine Umschulung ohne Wenn und Aber möglich sein. Wenn ein Betroffener dann noch ganz laut sagt: „Ich will!“, dann darf es kein „Nein!“ als Antwort geben. Kindern und Jugendlichen, die von den eigenen Eltern massiv enttäuscht wurden, muss vom Staat eine helfende Hand gereicht werden – sie müssen die Möglichkeit erhalten, sich in das Arbeitsleben zu integrieren. Und dennoch weiß ich aus eigenen Erfahrungen, wie oft bei der Agentur für Arbeit vielen Menschen eine solche Umschulung aus banalsten Gründen verweigert wird. Dabei ist die beste Investition, die ein Staat unternehmen kann, die Bildung seiner Bürgerinnen und Bürger.
Meine feste Überzeugung, die sich aus langjähriger Erfahrung nährt, ist: Jeder Mensch ist lernfähig, und zwar weit über die Grenzen hinweg, die ihm oftmals von außen gesteckt werden. |211| Dabei ist eine gute Bildung zentral für unser gesellschaftliches Fortkommen. Menschen, die gebildet sind, können der Menschheit dienen und vieles vorantreiben. Bildung ist die Grundvoraussetzung für einen guten Beruf, eine gute Anstellung und sorgt damit für ein glückliches, erfülltes und menschenwürdiges Dasein. Viele Probleme wie Arbeitslosigkeit, Armut und Kriminalität würden auf diese Weise gar nicht erst entstehen. Warum wird an dieser wichtigen Stelle so oft gespart?
Bildung beginnt sehr früh, nämlich bei den Kindern im Krippenalter, damit sie von Anfang an bessere Chancen für ihre Entwicklung erhalten. Dafür brauchen wir dringend mehr Krippenplätze und Ganztagsschulen. Vor allem brauchen wir spezielle Einrichtungen, in denen Kinder mit Migrationshintergrund rechtzeitig die deutsche Sprache lernen können. Das beginnt im Alter von eineinhalb Jahren und endet noch lange nicht im dritten Lebensjahr, wenn das Kindergartenalter erreicht ist. Denn die Kindheit ist die prägendste Zeit, die uns später als Mensch ausmacht.
Auch die Familien sollten sich gegenseitig mehr öffnen. Patenschaften zwischen Eltern zweier Nationen wären so ein Beispiel, damit nicht nur die Kinder wie selbstverständlich gemeinsam aufwachsen können, sondern auch die Eltern sich gegenseitig kennen- und schätzen lernen. Nur so ist es möglich, Vorurteile aufzuheben und voneinander zu lernen. Ein Miteinander statt ein Nebeneinanderher, wie wir es bislang hauptsächlich beobachten können. Natürlich braucht es dazu die Offenheit und Bereitschaft von beiden Seiten.
Ich glaube an eine bessere Welt, die wir erschaffen können, wenn wir über unsere Schatten springen, unsere Ängste besiegen und unseren Mitmenschen die Hand reichen. Wenn wir nicht trennen zwischen „wir Deutschen“ und „die Ausländer“ – oder auch umgekehrt –, sondern wenn wir uns alle in erster Linie als Menschen wahr- und annehmen.
Ich bin der Meinung, jeder Mensch gleicht einem Rohdiamanten. Haben Sie so einen schon einmal gesehen? Wer nicht |212| weiß, was er vor sich hat, verwechselt ihn mit einem ganz gewöhnlichen Stück Fels. Erst wenn er geschliffen ist, enthüllt er nach und nach seine Schönheit. Auch ich war ein solcher Rohdiamant, der Jahre lang nicht glänzen durfte. Erst nachdem ich im Alter von dreiundzwanzig Jahren meine Freiheit erlangte, begann ich, an mir zu arbeiten und zu schleifen. Ich schritt voran und glänzte mehr, aber immer noch nicht so, wie es mir möglich war. Dann lernte ich meinen jetzigen Mann kennen, Attila. Durch seine rückhaltlose Unterstützung begann ich nach und nach, lupenrein zu werden.
Niemand, der mich im Alter von achtzehn Jahren kannte, hätte das für möglich gehalten. Und so ist es mit jedem anderen Menschen auch: In uns allen steckt ein Rohdiamant, auch wenn man es manchmal kaum glauben mag. Wir brauchen nur die Möglichkeit und Unterstützung, um nach und nach die gröberen Schichten abzulegen und zu entwickeln, was in uns bereits von Anfang an verborgen angelegt ist: ein wertvoller, leuchtender und unzerstörbarer Kern.
Mein Lieblingslied im Augenblick ist
Bitte hör nicht auf zu träumen von einer besseren Welt
von Xavier Naidoo. Und mit diesem wunderbaren Appell möchte ich dieses Buch beenden:
Alle, die Ihr noch Träume habt, hört nicht auf, sie zu träumen. Und Ihr, die sie verloren habt, fangt wieder damit an.
Mein Traum war viele Jahre lang eine Aktentasche und das dazugehörige Leben. Auch wenn er Lichtjahre von mir entfernt schien – inzwischen hat sich
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