Loge der Lust
die Luft zu starren, da sie weder ein Buch noch eine Zeitschrift hatte, fuhr sie allein ins Zentrum. Sie fand einen Parkplatz am Straßenrand und stürmte zuerst den Supermarkt, um sich für die nächsten Tage mit Lebensmitteln einzudecken. Nachdem sie die Tüten im Landrover verstaut hatte, schaute sie zum Himmel. Wolken zogen auf. Es würde früh dunkel werden. Als sie über die Hauptstraße flanierte, an der sich die meisten Geschäfte befanden, entdeckte sie die Postfiliale. Davor standen drei öffentliche Telefone. Siedend heiß fiel Teena ein, dass sie vergessen hatte, ihre Eltern anzurufen, um Bescheid zu geben, dass sie gut angekommen war.
„Schande über mich“, sagte sie, kaufte sich einen Orangensaft in einem Pappbecher und steuerte den Hafen an. „Da werde ich mir eine Standpauke anhören müssen.“
Am Kai setzte sie sich auf den Landungssteg und rief mit ihrem Mobiltelefon in London an. Ihre Mutter redete mehr als sie. Ihr taten die Ohren weh, nachdem sie aufgelegt hatte. Den ganzen Abend verbrachte sie am Pier. Sie schaute sich die Fischerboote an, urige Kähne, die fast auseinanderfielen und trotzdem noch ganze Familien ernährten. Manche waren notdürftig repariert worden, andere bunt angestrichen, damit der Rost nicht sofort ins Auge fiel. Es roch stark nach Fisch, obwohl alle Boote verwaist waren. Teena meinte einen getrockneten Blutfleck auf dem Steg zu erkennen und vermutete, dass dort Fische ausgenommen worden waren.
Sie vergaß die Zeit und wunderte sich, dass an der Küste die Nacht so schnell hereinbrach. Ein Blick zum Himmel, und sie wusste, warum. Schwere Regenwolken hingen über Gardenrye.
„Zeit aufzubrechen.“
Teena spazierte über die Mole. Sie schlenderte vorbei an einem Kiosk, in dem schon lange nichts mehr verkauft wurde und der langsam verfiel, und bog in die nächste Straße ein. Die Gasse war recht finster, da es nur zwei Straßenlaternen gab, die beide nicht funktionierten. Aber Teena hatte keine Lust, zurückzugehen und einen Umweg zu machen. Es würde schon nichts passieren. Allein war sie auch nicht; in der Dunkelheit bemerkte sie eine Frau, die nah an den Häuserwänden vorbeischritt. Vielmehr stolzierte sie, denn sie trug genauso hohe Absätze wie Teena.
Plötzlich wurde es Teena mulmig. Der Orangensaft meldete sich. Magensäure stieß bitter auf. Die Frau hatte nicht nur dieselben Schuhe an, sondern auch einen Ledermini, der Teenas Rock ähnelte.
Jemand schaltete Licht in einem Haus an. Ein schwacher Schimmer fiel durch ein Fenster auf die Fremde. Teena erstarrte augenblicklich. Pinkfarbene Haare! Die Frau trug eine Perücke. Konnte das die Lady in Pink sein? Kaum zu glauben, dachte Teena. Die Polizei suchte die Verdächtige, und ihr lief sie einfach so über den Weg.
Ihre Alarmsirenen schrillten auf, doch Teena ignorierte sie und hastete hinter der Frau her. Die Prostituierte, falls es denn tatsächlich die Gesuchte war, trat in ein Geschäft ein, dessen Inneres stockfinster war. Auf einmal war der Schein einer Kerze zu sehen. Warum schaltete die Frau nicht das Deckenlicht an? Teena folgte auf Zehenspitzen. „Coast Liquor Store“ stand in großen Lettern über dem Schaufenster, in dem Spirituosen auf Stroh gebettet in Holzkisten lagen.
Es begann zu regnen. Zuerst nieselte es nur, aber schon bald schwoll der Regen an und prasselte auf Gardenrye nieder. Das Unwetter überzeugte Teena. Sie öffnete die Tür und lugte in das Geschäft. Ein Glöckchen klingelte leise. Teena erstarrte. Sie hielt die Luft an. Als niemand kam, stieß sie den Atem aus, huschte hinein und versteckte sich hinter einem außergewöhnlichen Schrank, der die Form eines aufrecht gestellten Ruderboots besaß. Ein Spiegel befand sich in dessen Inneren.
Teena lugte aus ihrem Versteck hervor. Hinter dem Ladenlokal war ein Gang zu erkennen, in dem eine Tür offen stand. Sie überlegte, ob sie es wagen sollte, der Verdächtigen nachzuschleichen. Wenn sie erst die Kollegen rief, hätte sich die Lady in Pink bestimmt schon wieder in Luft aufgelöst. Zudem hatte Lewis Spätschicht und würde ihr bestimmt vorwerfen, sich wichtig machen zu wollen, wenn sie im Revier anrief und behauptete, sie, der Frischling, habe die Flüchtige gefunden.
Teena wünschte, sie würde eine Dienstwaffe tragen, aber laut Joshua bekam man nur bei Sondereinsätzen eine Waffe ausgehändigt und trug auch nur dann eine Polizeiuniform. Dies war ein Sondereinsatz, aber zu spontan für Gardenrye.
Seufzend trat sie hinter dem
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