Loge der Lust
nicht.“
„Sie ist also eigenständig zu ihm gekommen“, sprach Teena. „Wir sollten das hiesige Taxiunternehmen anrufen und auch die Buslinie überprüfen.“
Zunächst erhellte sich Matthews Miene, als wollte er sagen: „Gute Idee“, aber dann schaute er plötzlich finster und schnaubte. „Als ob ich das nicht schon getan hätte! Das Haus liegt zu abgelegen, sodass keine Bushaltestelle in der Nähe ist. Es wurde kein Taxi zur Villa gerufen, aber die Hure floh sowieso nackt. Da wird sie keine öffentlichen Verkehrsmittel genommen haben.“
„Sie muss ihre Kleidung in der Nähe des Bachs deponiert haben“, meinte Josh trocken, der sich von Matthews Gefühlsausbruch unbeeindruckt zeigte.
Matthew lachte abfällig. „Wahrscheinlich hat sie sich nackt an den Straßenrand gestellt. Irgendein geiler Sack wird sie schon mitgenommen haben, und sie zahlte dann mit Naturalien.“
„Oder mit den Geldscheinen, die in Woodridges Börse waren“, warf Teena ein, die es nicht mochte, wenn Prostituierte als Nymphomanen dargestellt wurden. Sex war ihr Job, nur selten ihre Leidenschaft. Sie war unsicher, ob sie ihrem Chef glauben sollte, aber sie hatte nicht den Schneid, hinter seinem Rücken Nachforschungen anzustellen. Wenn das herauskäme, wäre sie ihren Job los.
Als Matthew das Büro verlassen hatte, war es längst nach sechs. Teena fuhr den Computer herunter, stand auf und wandte sich zu Joshua. „Es scheint fast so, als hätte es die Lady in Pink nie gegeben, findest du nicht auch?“
„Bislang haben wir noch keine Hinweise, bis auf die Aussagen von Woodridge und Sore.“
„Und die stecken unter einer Decke.“
Joshua schloss das gekippte Fenster und ließ die Rollläden zur Hälfte herunter. „Was willst du damit sagen?“
„Sie könnten sich abgesprochen haben.“ Teena zuckte mit den Achseln.
„Du meinst, alles ist nur ausgedacht? Wieso sollten sie das tun?“
„Sie müssen ja nicht gleich die ganze Geschichte erfunden haben, aber möglicherweise Details, wie die pinkfarbene Perücke“, argwöhnte sie und griff ihre Handtasche und den Karton mit den Turnschuhen. „Es ist rätselhaft, dass absolut niemand die Frau gesehen hat.“ Sie überlegte. „Wir müssen unbedingt mit den anderen Gästen der Dinnerparty sprechen.“
„Das wird Sore nicht erlauben.“
„Warum nicht?“
„Weil zu seinen Gästen die wichtigsten Frauen und Männer Nordenglands gehören“, erklärte er. „Er würde sie nicht derart bloßstellen.“
Teena verdrehte die Augen. Wenn ein Mord begangen worden wäre, besäßen sie ein Druckmittel, aber es ging lediglich um Diebstahl. Dafür würde William Sore die Namen auf der Gästeliste nicht preisgeben, nicht einmal seinem Freund, dem Earl of Cunninghall, zuliebe.
Zugegeben, der Graf war ein wichtiger Mann, aber Teena wurde das Gefühl nicht los, dass es um mehr ging als um ein gestohlenes Portemonnaie. „Jedenfalls sieht es zurzeit so aus, als hätte der Erdboden die Lady in Pink verschluckt.“
„Irgendwann wird er sie wieder ausspucken“, witzelte Josh.
Teena lachte. „Und wir werden zur Stelle sein, um sie sofort zu verhaften.“
Sanft fasste er ihren Arm und geleitete sie aus dem Revier. Vor dem Gebäude verabschiedeten sie sich. Er schaute ihr nach, wie sie auf den hohen Absätzen zum Discovery stolzierte. Das spornte sie an, die Hüften schwingen zu lassen. Dabei fand sie ihn nicht einmal attraktiv, zumindest körperlich nicht. Seine Ausstrahlung kam von innen. Wenn er lachte, kräuselte sich die Haut auf seiner Nase, was ihm ein spitzbübisches Aussehen verlieh. Und er roch immer gut, als hätte er frisch geduscht.
Gut gelaunt fuhr Teena zu ihrer Wohnung. Sie machte sich frisch, betrachtete ihr ungewohntes Outfit im Ganzkörperspiegel, der im Eingangsbereich hing, und klopfte dann an Rosalins Tür. Über der Klingel hing ein Schild aus Leder, in das ihr Nachname „Sawkenshaw“ eingeritzt war. Ob Roz das selbst gemacht hatte? Sie war keine Frau, die an Töpferkursen teilnahm, aber so etwas traute ihr Teena schon zu. Nichts tat sich, und Teena klopfte lauter. Niemand kam, um ihr zu öffnen. Sie lauschte an der Tür. In der Wohnung war alles still. Rosalin war nicht zu Hause.
„Das darf ja wohl nicht wahr sein“, murmelte Teena. Zuverlässig war Roz offenbar nicht. Sie hatte augenscheinlich die Verabredung vergessen.
Da Teena dringend einkaufen musste und auch keine Lust hatte, an ihrem ersten Abend in Gardenrye auf der Couch zu sitzen und Löcher in
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