Loge der Lust
wirklich.“
Sie nahm die Tasse und ging den Gang entlang, blieb jedoch nach wenigen Schritten stehen. Der Jutebeutel erschien ihr auf einmal so schwer, als läge ein ganzer Schädel darin und nicht nur eine Perücke.
Sie drehte sich um und fragte bemüht beiläufig: „Da wir hier kein eigenes Labor haben“, sie räusperte sich, „schicken wir Beweismittel sicherlich zur forensischen Untersuchung nach Newcastle, nicht wahr?“
„In der Tat“, antwortete Monica kurz.
„Dafür müssen wir vermutlich zuerst einen Antrag ausfüllen, Aktenzeichen und Grund für die Analyse eintragen und das Formular von Matthew unterzeichnen lassen …“
„Das übliche Prozedere.“
„Einen anderen Weg gibt es nicht?“
„Brauchst du denn einen anderen?“
Teena versuchte an Monicas Miene abzulesen, was sie dachte, aber die dicke Lage Schminke und ihr ironisches Dauerlächeln machten das unmöglich.
„Nein.“ Eilig ging sie weiter den Korridor entlang. Sie biss sich auf die Unterlippe und fasste den Jutebeutel fester, damit er ihr ja nicht aus der Hand fiel, tollpatschig, wie sie manchmal war. In Joshuas Büro angekommen, fuhr sie den PC hoch, ließ sich in den Bürostuhl fallen und legte den Beutel an ihre Füße. Wie konnte sie es nur bewerkstelligen, die falschen Haare in der Forensik heimlich auf Spuren einer weiblichen Person untersuchen zu lassen? Es schien aussichtslos. Sie hatte weder Kontakte in Gardenrye oder London, noch kannte sie Matthew gut genug, dass sie ihn überzeugen könnte, ihr zu vertrauen, ohne ihn über die Hintergründe aufzuklären.
Unvermittelt tauchte Monica im Türrahmen auf. „Es gäbe da eine Möglichkeit, aber ich müsste natürlich mehr wissen.“
Monica war die Letzte, der Teena etwas beichten wollte. „Der gute Geist“, wie Matthew sie genannt hatte, würde doch postwendend zum Chef laufen und brühwarm ausplaudern, dass Teena Bockmist gebaut hatte. Aber einen anderen Ausweg sah sie nicht.
Himmel, was sollte sie nur tun?
6.
„Nun?“ Monica hob die Augenbrauen.
„Es ist nicht so einfach“, begann Teena zaghaft und rutschte auf dem Sitz herum.
„Offensichtlich nicht, denn sonst würdest du den Dienstweg wählen.“
„Ich möchte Matthew nicht hintergehen. Versteh mich bitte nicht falsch.“
Monica zuckte mit den Achseln. „Momentan verstehe ich noch gar nichts.“
Teena seufzte. Fieberhaft suchte sie nach den richtigen Worten. Wie konnte sie die Sekretärin nur dazu bringen, ihr zu helfen, ohne ihr verraten zu müssen, dass sie die Verdächtige durch einen dummen Fehler hatte laufen lassen? „Ich müsste einen Gegenstand forensisch untersuchen lassen. Es könnte wichtig sein.“
„Könnte?“, fragte Monica und schnaubte. „Wenn man die Forensik bemüht, ist es immer wichtig.“
Schweren Herzens sagte Teena: „Ich gebe zu, ich bin unsicher. Was ist, wenn ich als Frischling mich in die Nesseln setze? Dann bin ich unten durch.“
„Das könnte durchaus passieren.“
„Ich habe es schon jetzt nicht leicht. Man hat mich nicht gerade mit offenen Armen empfangen.“ Teena hielt die Luft an. Indirekt hatte sie auch Monica angeklagt. Das würde sie ihrem Ziel bestimmt nicht näherbringen.
„Ich verstehe.“
Energisch stand Monica auf.
„So war das nicht gemeint.“
„Du kannst nicht erwarten, überall, wo du hinzukommst, wie ein Prinzesschen behandelt zu werden. In London mag man dich mit Samthandschuhen angefasst haben, zumal dein Vater ein einflussreicher Versicherungsmakler ist …“
Aha! Diese Schlange hatte Teenas Personalakte studiert.
„… aber in Gardenrye musst du dich beweisen. Hier zählt Leistung und sonst nichts.“
Gerade der Leistungsdruck hatte Teena doch in diese vertrackte Situation gebracht. Sie fühlte sich genötigt, besser als alle zu sein, damit man sie akzeptierte. „Dessen bin ich mir bewusst!“
Eisiges Schweigen. Teena starrte Monica an und wartete, dass sie ihr endlich eine Hintertür ins forensische Labor zeigte. Stattdessen verlagerte die Empfangsdame einige Male ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und ging schließlich an die Rezeption zurück, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Das war ja klasse gelaufen! Teena ließ sich in den Bürostuhl fallen und stützte die Ellbogen auf der Tischplatte auf. Entmutigt vergrub sie das Gesicht in den Händen. Sie konnte einfach nicht mit Monica Stew. Es gab helle Momente, in denen die Hoffnung aufkeimte, dass sie einen Weg finden würden, kollegial zusammenzuarbeiten. Aber
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