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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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der Bewässerung machen... immerhin, der Bursche hat sein Leben lang bei Bohrungen gearbeitet. Trotzdem war es unvorsichtig, ihn allein zu lassen.
    Der Widerschein der Flamme von Anaco beleuchtet die Gegend, aber dieses Licht flößt wenig Vertrauen ein. Und der Taladro liegt hinter einem Hügel; man sieht ihn erst, wenn man davorsteht.
    Plötzlich hat der Amerikaner keine Spuren mehr vor sich. Und keine hinter sich: ein Mensch ist nicht schwer genug, um auf diesem harten Sand eine Spur zu hinterlassen. Weil er in die Luft geschaut hat, hat er jetzt den Weg verloren. Er setzt sich einen Augenblick lang hin und überlegt. Da... ein ungeheuerlicher Lichtschein schießt gegen den Nachthimmel! Er ist von seinem Ziel nicht mehr so weit entfernt gewesen: das war sein Bohrturm, der in die Luft geflogen ist.
    Der Lichtschein läßt nach, bleibt aber sichtbar. Im Gefolge der Explosion fliegen Eisenstücke kreisend durch die Luft, erinnern ihn an den Krieg. Entsetzt über das, was geschehen ist – durch seine Schuld, wie er glaubt –, fängt Rynner an zu laufen. Es ist nur Zufall,wenn er geradeaus läuft; seine Angst ist sicherlich stärker als der Wunsch zu sehen, was geschehen ist, sich Gewißheit zu verschaffen. Er läuft, irgend etwas muß ihm gegen die Brust geschlagen sein. Er stolpert, versucht mit zwei langen Schritten wieder hochzukommen, fällt. Er steht auf, seine Beine sind schwer, er spuckt Dreck, er läuft weiter. Er bekommt keine Luft mehr. Gezwungen, Atem zu holen, wirft er sich flach zu Boden, und wie während eines Fliegerangriffs versucht er unbewußt, sich mit allen Fasern der Erde einzuverleiben.
    Die alten Bräuche sind gut; er erholt sich, er läuft weiter. Jetzt ist er noch drei Kilometer von der Unfallstelle entfernt. Für diese drei Kilometer braucht er beinahe eine Stunde. Als er dort ankommt, ist er nicht mehr der stets lachende, ein wenig naive, große Kerl, den seine Kameraden von der Crude and Oil kennen. Wie er jetzt in die Flammen stiert, die das Gerüst des Bohrturmes zusammendrücken, ist er ein Mann mit vor Entsetzen starren Augen in dem blutigen, dreckverschmierten Gesicht, ein Mann, dessen Herzschlag aussetzt und der Blut spuckt; und er weiß nicht, ob das Blut aus dem Mund kommt oder ob er von einem Splitter getroffen ist.
    Das Feuer ist Meister. Der Passat fegt einen Flammenschweif über Hunderte von Metern nach Westen; die Erde trocknet und bricht. Der Wind weht stark in diesem Augenblick, aber das Getöse der Feuersäule, die trümmerschleudernd gegen den Himmel strebt, übertönt den Wind. Der Derrick ist in der Mitte auseinandergebrochen; er ist umgestürzt und hat unter seiner weißglühenden Masse den Motor begraben und die Kastenregale, wo die Arbeiter ihre Eßgeschirre und ihre Jacken lassen, wenn sie zur Arbeit kommen. Dann hat die Flamme das Skelett des Turmes zusammengepreßt, und jetzt richtet sie es zur Vertikalen auf. Der Taladro scheint seine Arbeit wieder aufnehmen zu wollen. Etwas weiter davon entfernt hat das Feuer die beiden Tankwagen ergriffen, deren Tanks geborsten sind. Die fünf Tonnen Wasser, die ausgelaufen sind, haben die Flammen, die aus dem Öl und dem Benzin hochschlagen, nur noch belebt: zwei Feuersträuße, die im Vergleich zu der riesigen Feuersäule lächerlich wirken und dennoch zur Vervollständigung des schaurigen Bildes dazugehören.
    Am Rande dieser Sintflut stehen zwei Indios im Wind, einer an den anderen geklammert, Schulter an Schulter, so schauen sie in das Feuer und heulen Worte, die kaum verständlich sind, Worte des Guaharibo-Dialektes, die Tod und Angst bedeuten. Der Amerikaner braucht ihre Sprache nicht zu kennen, um das zu begreifen. Zwölf ihrer Kameraden sind in den Flammen geblieben. Sie fürchten, verrückt zu werden. Der Amerikaner auch.
    Keine Rede davon, sich dem Krater zu nähern, aus dem diese Feuersäule aufsteigt, deren Konturen so scharf umrissen sind wie ein Zylinder. Rynner denkt mit Entsetzen daran, daß die beiden Männer, die da stehen, seine Abwesenheit bei der Untersuchungskommission anzeigen werden. Zwölf sind schon tot. Diese Nacht erinnert ihn mehr und mehr an den Krieg. Es wäre so einfach, diese beiden da totzuschlagen und allein übrigzubleiben: er könnte dann den Hergang nach seinem Ermessen schildern. Sind es Gewissensbisse, ist es Charakterschwäche? Rynner entschließt sich nicht. Außerdem beginnen die Gedanken in seinem Kopf sich zu verwirren.
    Er nähert sich den Indios und starrt in ihre Gesichter. Beide

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