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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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ermächtigt, im Namen aller zu sprechen. Aber schließlich stand auch sein Leben mit auf dem Spiel. Das gab ihm Rechte. Niemand erhob Einspruch.
    »Ich danke dir, mein Sohn, ich danke dir im Namen der mir anvertrauten Seelen«, fuhr der alte Mann fort. »Gott wird es dir vergelten. Ich will euch segnen, bevor ihr abfahrt; und für euch beten, die ganze Zeit. Ihr werdet sehen: selbst wenn ihr ungläubig seid, wird euch das Glück bringen.«
     
     

Die beiden Ungetüme waren nacheinander bis an den Anfang der Umleitung zurückgefahren. Niemals hatten Lastwagen so ungeheuerlich ausgesehen: machte das die Nacht, die auf den roten Girlanden lastete, der rote Widerschein der Schatten? Die Wagen sind ungeheuerlich. Und ihr langsames, vorsichtiges Schwanken, wenn sie ein wenig den Wegrand streifen, um die Straßenrichtung einzuhalten, ruft die Erinnerung an die Bilder von prähistorischen Tieren in den Naturkundebüchern wach, an jene Tiere, die viel zu massig im Verhältnis zu ihren eigenen Kräften sind.
    Luigi ist an der Spitze. Er winkt seinen Genossen zum Abschied zu, läßt den Motor mit zweimaligem Druck auf den Gashebel leerlaufen, dann verlangsamt er die Tourenzahl, um den ersten Gang einschalten zu können. Während sein Fuß das Kupplungspedal niederdrückt, beugt er den Kopf durch das Wagenfenster.
    »Adiós, Padre. Segnen Sie uns, wir haben es nötig.«
    Der Priester weicht einen oder zwei Schritte zurück; plötzlich wirkt er sehr groß. Er hebt beide Arme zum Himmel. Im Licht der Girlanden scheint er ein rotes Meßgewand zu tragen.
    »Benedicat vos omnipotens Deus...«
    Seine Rechte senkt sich und schlägt ein übergroßes Kreuzzeichen.
    »Pater et Filius...«
    Sie können nicht anders, sie hören zu. Sie sind sogar ergriffen; außer Bimba, der leise alle lästerlichen Flüche vor sich hin brummt, die er kennt.
    »... et Spiritus Sanctus.«
    »Amen«, antwortet Luigi, die Hand bereits am Ganghebel. Unter dem Scheinwerferlicht scheint der weiße Boden der Straße zu glänzen. Die dunkle Masse des Lastkraftwagens taucht in die Nacht.
    »Du solltest den Wagen auf die Umleitung fahren«, sagt Gérard zu dem Rumänen. »Dort können wir ihn stehenlassen und uns im Dorf noch etwas ausruhen. Vielleicht sogar etwas schlafen. Der Herr Pfarrer kann uns in einer Stunde wecken.«
    »Du denkst nur immer ans Schnarchen«, protestiert Johnny und setzt sich trotzdem ans Steuer.
    Stürmer bleibt mit dem Alten allein.
    »Sie fahren nicht gleich mit?« fragt dieser.
    »Nein. Wir fahren erst in einer Stunde. Wegen der Sicherheit.«
    »Aber...«
    Er will etwas sagen und sagt es nicht. Er sieht merkwürdig verdrossen aus. Er schweigt. Gérard bemerkt das nicht.
    Der Rumäne, von Gott weiß was für einem plötzlichen Ordnungssinn erfaßt, müht sich ab, den Wagen an einem ganz bestimmten Platz abzustellen, so, daß die hintere Bordwand des Wagens den Richtungspfeil berührt. Obwohl der K.B. nicht schwer beladen ist, kostet es doch einige Anstrengungen, ihn zu dirigieren. Dem Johnny wird es heiß dabei.
    Aber was ist denn da passiert? Das sieht ja aus, als käme Luigis Wagen zurück. Kein Zweifel möglich, das ist er. Auf dem Trittbrett steht ein Indio, der eine Art Holztafel in der Hand hält, ein weißes Schild mit schwarzen Lettern. Bevor noch der Wagen hält, springt Bimba heraus. Er ist weiß vor Wut.
    »Wo ist der Pfarrer, in Teufels Namen?«
    »Was ist denn los? Was hat er dir denn getan?«
    »Da, sieh dir das an!« Er hält Gérard das Schild vor die Nase, das er dem Indio aus den Händen gerissen hat.
    »Vorsicht! Langsam fahren! Sehr schlechte Wegstrecke!«
    »Da siehst du, was er mir getan hat. Er hat wohl gewußt, daß wir, wenn wir das lesen, durch seine Gemeinde fahren. Und Angst hat er gehabt um sein Leben und um alle diese Krüppel. Wo ist er?«
     
     
    Dorfbewohner haben sich den Wagen genähert. Unter ihnen der Ortsvorsteher, der ganz fassungslos zu sein scheint. Aber er hat ja schon vorher wie Espenlaub gezittert. Gérard packt ihn am Ärmel.
    »He, du da, du hast uns doch auch bekniet, nicht durch dein dreckiges Dorf zu fahren.«
    Das Gesicht des Alten wird noch verzweifelter.
    »Ich ... ich wollte euch bitten, die Fahrt aufzugeben, das ist alles. Ich wollte euch nicht auf diesen Weg schicken.«
    »Und trotzdem habt ihr das Schild abgerissen, wie?«
    »Nein, wir nicht, das war der Padre.«
    Gérard schüttelt den Alten wütend hin und her, und seine Augen sprühen Feuer. Der Alte wehrt sich nicht, blickt ihm

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