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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Tatort, wurde mir bewusst. Dies war der Ort, an dem all die Menschen gefoltert und gestorben waren. Sonja, Mueskens
     und wahrscheinlich auch Agnes Koschinski. Und der Mann dort war Rainer Kluge. Ich öffnete den Mund, wollte schreien, aber
     nur ein Röcheln kam heraus.
    »Ein Ton«, sagte eine frostige Stimme rechts von mir, »und der Hund stirbt.«
    Ich drehte den Kopf, nun wurde mir klar, wo ich war. Ein Mann hielt uns in der Kapelle gefangen. Das große Gittertor war verschlossen,
     der Wald und der Pfad lagen zum Greifen nahe, waren aber unerreichbar. Zu den Füßen des Mannes lag Charlie. Er musste ihn
     hierhin gezogen haben, eine breite, frische Blutspur zeugte davon. Und dennoch atmete mein Hund immer noch. Alles in mir zog
     sich zusammen.
    »Ich steche ihn ab, damit habe ich kein Problem, sobald du aufmuckst.« Der Mann lächelte, ein fieses Grinsen.
    Er würde uns sowieso töten, aber noch hatten wir eine Chance. Robert war im Kinderheim. Irgendwann würde die Polizei kommen,
     um meinen Wagen abzuschleppen.
    »Ich mache alles, was Sie wollen«, flüsterte ich.
    »Du bist die Psychotante?«
    Ich versuchte zu nicken, doch mein Kopf tat bei jeder Bewegung entsetzlich weh.
    |251| »Ja«, brachte ich heraus. »Wir haben heute Morgen telefoniert.«
    »Wer ist der Mann, der mit dir gekommen ist?«
    »Robert?« Ich stockte. Was wollte der Kerl hören, was erfahren? Ein falsches Wort und mein Hund, Kluge oder ich wären tot.
     Vermutlich wir alle. Langsam drehte ich meinen Kopf wieder zu Kluge. Seine Brust hob und senkte sich noch, doch der Atem ging
     rasselnd. Er hatte eine Lungenentzündung.
    »Wie er heißt, weiß ich nicht.« Der Mann trat nach mir. »Ihr seid zusammen gekommen, aber in zwei Wagen. Vorhin. Und dann
     habt ihr ewig geredet. Ich habe euch beobachtet. Du sagtest, die Polizei sei nicht eingeschaltet?« Er zündete sich eine Zigarette
     an, zog hektisch daran.
    »Nein. Robert ist mein Kollege.«
    »Ein Psychoheini?«
    »Ja.« Ich log und versuchte überzeugend zu wirken.
    »Was will er hier?«
    »Er kam mit mir. Wir haben uns hier getroffen, um die Akten zu sichten.«
    »Er arbeitet auch für die Polizei?«
    Obwohl der Steinboden der Kapelle kalt war, schwitzte ich nun. »Nein. Ich hatte ihn gebeten, mich hier zu treffen und mit
     mir die Akten anzusehen. Hatte gedacht, zu zweit geht es schneller. Wir haben vorhin nur Eckdaten besprochen. Von dem Fall
     weiß er nichts.«
    »Wirklich?« Der Mann grinste hämisch. »Sagst du die Wahrheit? Siehst du den hier?« Er stieß Kluge mit der Stiefelspitze an.
     »Der hat es schon fast hinter sich. Erstaunlich eigentlich. Den habe ich jetzt …«, er stockte, »seit gut einer Woche hier.«
     Kluge regte sich nicht, auch als der Mann ihn das zweite Mal trat. »Anfangs wusste ich nicht, dass sie nach zweiundsiebzig
     Stunden ohne Wasser krepieren, aber ich bin lernfähig.« Er zwinkerte mir zu, zog Kluges Kopf an den Haaren empor, griff nach
     einer Tasse mit einem Strohhalm. Jetzt erst sah ich, dass Rainer Kluges Mund mit Gewebeband zugeklebt war. Das silberne |252| Panzertape hatte eine kleine Öffnung in der Mitte, da schob der Mann den Strohhalm hinein.
    »Trink!«, befahl er, aber Kluge reagierte nicht. »Scheiße, der ist bald hinüber.« Er sah mich an, die Zigarette im Mundwinkel,
     lächelte eisig. Dann nahm er die Zigarette und drückte sie an dem sterbenden Mann aus. Es zischte leise und stank nach verbranntem
     Fleisch. Kluge zuckte nicht mal. Ich schloss die Augen.
    »Willst du, dass ich das mit dir mache? Eigentlich hast du das nicht verdient. Du bist hier reingerutscht. So quasi zufällig,
     denke ich. Du wolltest nichts Böses, siehst eine Telefonnummer, rufst an. Ha.« Er lachte rau, es klang nicht lustig. »Und
     jetzt bist du hier. Wir können es schnell machen oder langsam.«
    »Wer sind Sie, und weshalb bringen Sie all die Menschen um? Es hat mit dem Kinderheim zu tun, nicht wahr?« Ich versuchte ihn
     am Reden zu halten.
    »Du weißt wirklich gar nichts, oder? Ein Schnellschuss? Eine Telefonnummer, und ich rufe mal doof an?«
    »Nun ja, wir waren in einer Sackgasse.«
    Er lachte auf. »Ist das zu fassen? Eine kleine Psychologin findet irgendwo eine Telefonnummer, ruft da an und fährt da auch
     noch alleine hin? Ruft nur einen Psychofuzzi zur Hilfe, um Akten zu sichten. Und die Polizei weiß ganz sicher nichts?«
    »Nein.« Ich konnte das Wort nur hauchen, meine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Sicher?« Er zündete sich erneut eine

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