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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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vielleicht gar keine Gerüchte.«
    Robert ging ein paar Schritte, starrte in das Tal, kam dann zu mir zurück. »Du könntest recht haben. Wir waren die ganze Zeit
     auf dem Holzweg. Aber würde jemand ein sechs Wochen altes Kind missbrauchen? Das ist doch unmöglich.«
    »Nein, ist es nicht. Ich habe schon so furchtbare Fälle mit Neugeborenen gesehen. Dies Trauma, zusammen mit den Verlustängsten,
     denn Sonja wird gewusst oder gespürt haben, dass sie adoptiert wurde, und dann noch der Faktor Schizophrenie erklären ihr
     Krankheitsbild. Das nach ihrem Tod zu beweisen dürfte allerdings unmöglich sein.« Ich biss mir auf die Lippe, kaute daran.
     »Vielleicht war Kluge in den Pädophilenring verstrickt und ist deshalb untergetaucht. Er wird dann wissen, dass es irgendwann
     auffliegt. Mueskens und Sonja wurden in der Presse gemeinsam erwähnt – weil wir die DNS-Spuren hatten. Er wird die Verbindung
     zu damals hergestellt haben und ist geflohen.«
    »Klingt logisch.« Robert holte sein Handy hervor. »Kein Empfang, verdammt.« Er ging ein paar Schritte Richtung Straße. »Schwacher
     Empfang, ich versuch es mal«, rief er mir zu.
    |246| Inzwischen hatte die Sonne den Zenit überschritten. Langsam wurde es kühler. Ich drehte mich um, aber von Charlie war nichts
     zu sehen.
    »Charlie, hier«, rief ich laut. Vielleicht war er auf den Geschmack gekommen und hatte die Fährte einer läufigen Hündin gefunden.
     Ich seufzte, rief ihn wieder.
    Der Wind frischte auf, fuhr durch die hohen Bäume, es raschelte und knisterte. Plötzlich sprang ein Eichhörnchen vor mir auf
     den Pfad und verschwand dann im Gebüsch. Für einen Moment fühlte ich mich beobachtet, eine Gänsehaut bildete sich auf meinem
     Rücken, doch weit und breit war außer Robert niemand zu sehen. Vermutlich eine Nachwirkung der Gehirnerschütterung, dachte
     ich und sehnte mich plötzlich nach meinem Bett und Schlaf.
    »Sitte … Ermittlungen ausweiten … Kinderheim …« Der Wind trieb die Wortfetzen zu mir.
    Vielleicht täuschten wir uns wieder, und auch diese Spur würde ins Nichts laufen, aber ich war mir sicher, dass wir diesmal
     auf der richtigen Fährte waren. Wo blieb nur mein Hund? Auf welcher Fährte war er?
    »Charlie! Hier!« Ich lauschte, hörte immer noch nichts.
    Robert kam zu mir zurück, steckte das Handy ein. Er blieb vor mir stehen, sah mich nachdenklich an.
    »Du bist ziemlich blass. Dir geht es nicht besonders.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Ich habe Kopfschmerzen, das ist alles.«
    »Nun, lass uns nachsehen, ob wir etwas in den alten Akten finden. Ich weiß noch nicht einmal, ob Sonja wirklich in dem Heim
     war. Es wurde früher privat geführt, und ich konnte bisher noch nicht ermitteln, welche Kinder hier untergebracht waren. Auch
     da ist die Aktenlage eher bescheiden, aber die Kollegen sind an der Sache dran. Und dann bringe ich dich nach Hause.«
    »Was ist mit meinem Wagen?«
    »Ich habe die Polizei in Adenau um Amtshilfe gebeten. Sie werden ihn abholen und nach Aachen bringen.«
    |247| »Der Ersatzreifen ist auch nicht mehr die Wucht.«
    »Dann werde ich sie darum bitten, ihn in eine Werkstatt zu bringen.«
    Die Polizei, dein Freund und Helfer, dachte ich erleichtert. Der Gedanke mit dem Wagen heimfahren zu müssen, hatte mir Angst
     bereitet.
    »Es kann allerdings eine Weile dauern, bei Breidscheid hat es gerade eben einen Unfall gegeben. Ein Motorrad ist unter einen
     Tanklastzug gekommen. Der Tanklaster hat abgebremst, ist ausgebrochen und droht nun, die Böschung hinunterzukippen. Alle Leute
     sind im Einsatz, wahrscheinlich müssen die Anwohner evakuiert werden. Da möchte ich nicht dabei sein.«
    »Ich auch nicht. Aber Unfälle mit Motorradfahrern gibt es hier jede Woche.« Ich überlegte kurz. »Kannst du mich auch nach
     Hechelscheid bringen?«
    »Den Kamin anzünden, dich davor ablegen, zudecken und dir einen Tee kochen und Pizza bestellen? Alles kein Problem.«
    »Klingt bezaubernd.« Ich lachte leise.
    »Aber jetzt sind wir einmal hier. Lass uns eben reingehen und nachschauen, ob wir etwas finden.«
    »Geh du schon mal vor, ich suche Charlie. Es scheint mir, als würde er unter die Wilderer gehen.«
    »Jagt er?«
    »Eigentlich nur läufige Hündinnen. Ansonsten ist er auf Aas gedrillt. Vermutlich hat er einen toten Hasen gefunden.«
    »Nun ja, für jeden ist etwas anderes verlockend. Ich geh schon mal.«
    Robert strich mir leicht über den Arm, ging dann den Weg zum Kinderheim hinunter.

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