Lohn des Todes
Fuß.«
»Hier wird er ja wohl nicht sein.« Ich schaute mich um, alles wirkte wunderbar friedlich. Ich lauschte kurz, konnte Charlie
aber nicht mehr hören. Anscheinend hatte er den toten Hasen gefunden.
»Nein, hier ist er sicherlich nicht. Aber vielleicht weiß er inzwischen, dass wir ihm auf den Fersen sind, und du hast dich
als Mitglied der OFA geoutet. Mir war einfach nicht wohl bei dem Gedanken, dass du alleine in der Pampa herumläufst. Zumal
du gar keine rechtlichen Befugnisse hast.«
»Es gibt wohl alte Akten. Ich hatte die Schnapsidee, dass in ihnen ein Hinweis zu finden sei. Ich wollte dich anrufen, als
ich den Unfall hatte, aber der Akku meines Handys ist leer.« Inzwischen war mir bewusst, wie idiotisch die Fahrt hierher gewesen
war. Irgendeinen brauchbaren Hinweis würde ich sicherlich nicht finden.
»Es gibt Akten? Das ist ja interessant. Wir haben einiges herausgefunden.«
»Habt ihr eine Spur von Kluge?« Ich lehnte mich gegen meinen Wagen, immer noch pochte die Beule an meiner Schläfe.
»Nein, keine Spur von Kluge, er ist wie vom Erdboden verschluckt. Das erfüllt uns mit Sorge. Hoffentlich ist er nicht das
nächste Opfer.« Robert rieb sich über die Stirn.
Ich glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Opfer?«
»Ja, er kann nicht der Täter sein. Deine Vermutung war richtig. Die Schnelltests der DNS aus Kluges Wohnung haben gezeigt,
dass das Blut dort seines ist. Seine DNS unterscheidet sich gravierend von Sonjas. Sie sind nicht miteinander verwandt. Das
hat auch das Jugendamt in Bonn bestätigt. Ich habe gestern noch einen Kollegen dort hingeschickt, heute Morgen wurde die Akte
im Archiv gefunden. Sonja Kluge wurde im Alter von knapp sechs Wochen adoptiert.«
»Was?«
|244| »Kluges haben sie adoptiert. Wenn das Kind noch so jung ist und die Mutter auf ihre Rechte verzichtet, wird die Adoptivmutter
in die Geburtsurkunde eingetragen.«
»Das ist nicht zu fassen.« Ich schlug mit der rechten Faust in die linke Hand. »Es ist unglaublich. Da bringt die Adoptivmutter
das erkrankte Kind in die Psychiatrie und verschweigt dieses kleine, aber doch immens wichtige Detail. Wir hätten einige Störungen
damit erklären können. Sonjas Verlustängste zum Beispiel. Weißt du, weshalb sie zur Adoption freigegeben wurde?«
»Ich habe den Bericht jetzt nicht parat, aber die Mutter war psychisch krank, hörte wohl Stimmen. Sie hat sich kurz nach der
Geburt umgebracht. Der Vater war ein Alkoholiker und Gelegenheitsdieb, er war mehr im Knast als draußen.«
»Klingt nach Schizophrenie. Vielleicht gepaart mit einer satten postnatalen Depression.« Ich stieß die Luft aus. »Verdammt,
das stützt die Annahme, dass Sonja schizophren war. Wir hätten sie mit diesem Wissen sehr viel besser behandeln können. Schizophrenie
ist erblich. Ich verstehe die Adoptivmutter nicht.«
»Vielleicht haben die Eltern verdrängt, dass es nicht das leibliche Kind ist, zumal sie sie ja als Säugling bekommen haben.«
»Eine sehr fadenscheinige Begründung, aber du könntest recht haben. Unverantwortlich ist es trotzdem.« Ich dachte nach. »Und
wer ist dann der Täter? Sonjas leiblicher Vater?«
»Leider nicht, denn der starb vor einigen Jahren an Leberzirrhose.«
»Wer ist es dann?«
»Das wissen wir noch nicht. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Es muss jemand sein, der mit Sonja blutsverwandt ist.
Aber die Aktenlage ist beschissen schlecht, die Archive zum Teil nach seltsamen Systemen geordnet. Nicht alles ist katalogisiert
und das Wenigste auf Mikrofilm. Zwei Kollegen wühlen sich durch verstaubte Akten. Doch bisher haben wir nichts, was uns weiterhilft.
Zumal der zuständige |245| Beamte von damals inzwischen in Rente ist. Momentan fährt er mit seinem Wohnwagen durch Norwegen und ist nicht erreichbar.«
»Blutsverwandt. Onkel oder Bruder?«
»Ja, es gab wohl einen Bruder. Ein paar Jahre älter als Sonja. Aber von ihm haben wir keine Spur. Wenn wir sein Aktenzeichen
wüssten, wären wir vielleicht schon weiter. Vielleicht ist er auch adoptiert worden und hat nun einen ganz anderen Namen.
Es ist zum Verzweifeln.«
»Wenn ein Blutsverwandter von Sonja der Täter ist, dann hängen die Taten mit ihr zusammen. Die Münzsammlungen sind nicht der
Grund, es geht um persönliche Rache.«
»Was?«
Ȇberleg doch mal: Das eine Opfer war mit dem Heimleiter liiert und hat hier im Dorf gewohnt. Es hat etwas mit dem Heim zu
tun. Diese Gerüchte um Mueskens, das sind
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