Lohn des Todes
hier gleich links fährst, sind wir schneller. Mindestens zehn Minuten«, sagte ich.
»Der Navi sagt etwas anderes.«
»Sie lügt, Robert, glaub mir.«
Er lachte und setzte den Blinker.
»Was ist mit dir und Martin?«, fragte er dann.
Ich schluckte. »Wieso?«
»Eigentlich macht mir das mehr Bedenken als deine Vorgeschichte. Du warst Opfer, okay, du bist verletzt und denkst viel nach
– gut. In unserem Team gibt es zwei Personen, mit denen du nicht grün bist. Wird das Probleme schaffen?« Er sah mich fragend
an, schaute dann wieder auf die steilen Kurven, lenkte den Wagen bedächtig.
Ich schnaufte, hielt den Atem an, schnaufte wieder. »Ich weiß es nicht.«
»Okay. Ich habe ein Auge darauf. Kannst du damit leben?«
»Das heißt, du sagst, wenn einer aussteigt?«
|68| »So ist es. Ich habe die Verantwortung für die OFA. Ich hole die Leute nach ihrer Fachkenntnis, und ich schicke sie auch nach
Hause, falls nötig. Wir sind ein Team und sollten so funktionieren. Ich habe bei dir wenig Zweifel, Constanze.«
»Danke.« Der Raps glühte wieder im Abendlicht. War es wirklich erst einen Tag her, seit ich den Weg gefahren war? Es schien
mir ein Leben entfernt zu sein. »Wieso bist du dir so sicher, was mich angeht?«
»Ich kenne Staatsanwalt Werner Bromkes. Und er hält viel von dir. Sehr viel.«
»Und von Martin?« Wo kam das her? Ich biss mir auf die Lippe.
Kemper schwieg. Fuhr die Kurven, konzentrierte sich auf die enger werdenden Straßen. »Martin ist okay«, sagte er schließlich,
ohne mich anzusehen. »Aber er ist verwirrt. Emotional. Als Fachmann möchte ich ihn nicht missen. Dies ist nicht seine erste
OFA.«
»Ich weiß«, flüsterte ich.
»Er ist gut, sehr gut. Ich kenne keinen besseren Rechtsmediziner. Er ist jemand, der jeden auch noch so schrägen Gedanken
nachverfolgt, manches Mal auch nachvollziehen kann. Er hat gute forensische Aspekte und einen psychologischen Blick. Wie lange
seid ihr zusammen?« Robert wartete nicht auf die Antwort. »Das hat er wohl von dir. Ein guter Mann. Leider gerade etwas verwirrt.«
»Es ist meine Schuld. Ich hatte Probleme, habe sie an ihm ausgelassen.« Ich strich mir über die Stirn.
»Sei’s drum, wir sind da.« Robert parkte den Wagen in der Einfahrt. »Eure persönlichen Probleme gehören euch. Wenn du es hier
nicht mehr erträgst oder irgendetwas schwierig wird, wende dich an mich. Ansonsten mache dir bitte klar, dass es um einen
grausamen Mörder geht und darum, ihn zu finden. Schnell. Darum geht es und nicht um Ressentiments und Empfindlichkeiten. Okay?«
Er sah mir in die Augen, prüfte meinen Blick. Ich hielt stand. Dann nickte Robert, stieg aus.
Ich öffnete die Wagentür, kaum acht Stunden nach meiner |69| Abreise war ich wieder da. In Hechelscheid. Langsam ging die Sonne unter.
Im Esszimmer roch es nach Fritierfett und Mayonnaise. Ich rümpfte die Nase, doch mein Magen knurrte. Zum Glück hatte ich das
Obst mitgebracht. Ich nahm einen Apfel aus der Tüte, rieb ihn an meinem Ärmel blank. Das Team saß um den Tisch, über Unterlagen
gebeugt. Sie blickten nur kurz auf, bis auf Martin. Er sah mir in die Augen, wirkte blass und fahrig. Maria war nicht im Raum.
Ich stieß erleichtert die Luft aus. Vor der Begegnung mit ihr bangte mir ein wenig. Aber vermutlich geht es Maria nicht anders,
dachte ich und biss in den Apfel.
»Wir haben den Bericht bekommen«, sagte Julius Hartfeld mit leiser Stimme. Martin hatte schon früh dafür gesorgt, dass wir
einen Internetanschluss bekamen. Er hatte vorgehabt, seine Berichte hier zu schreiben und trotzdem ständig in Verbindung mit
dem Institut zu stehen.
»Und?« Robert zog sich einen Stuhl heran, nahm den Bericht, den Hartfeld ihm reichte. Ich zögerte noch einen Moment, setzte
mich dann auch.
»Die Tat wurde vor vier Jahren begangen. Der Modus Operandi ist ein völlig anderer. Das Opfer wurde in ihrer Wohnung getötet
und auch da belassen. Anscheinend ist der Täter schnell vorgegangen. Er hat sie laut Rechtsmedizin erst getötet – ein Schnitt
durch die Kehle – und dann vergewaltigt. Nur vaginal, nicht anal oder oral. Sie war nicht gefesselt und weist auch keine Spuren
der Quälerei auf.«
»Und trotzdem ist es derselbe Täter?« Robert sah hoch.
»Die DNS-Spuren stimmen überein. Und außerdem hat man ein Fünfmarkstück in ihrer Mundhöhle gefunden.«
Da war es wieder, das Fünfmarkstück. Noch wusste ich nicht, was es damit auf sich hatte. Gespannt
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