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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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lauschte ich dem weiteren
     Bericht.
    »Und das Opfer?«
    »Es passt wieder in kein Schema. Eine Frau, siebenundsechzig Jahre, verwitwet. Der Mord geschah in Flensburg.«
    »Flensburg? Vor vier Jahren. Ist die Datei überprüft worden? |70| Möglicherweise hat der Täter noch weitere Morde im Norden begangen und arbeitet sich jetzt langsam Richtung Süden vor.« Robert
     überflog den Bericht, reichte ihn mir dann. Zuoberst waren drei Tatortfotos. Ich warf einen flüchtigen Blick darauf, kniff
     dann die Augen zusammen. Die Leiche lag auf dem Boden, vermutlich in der Küche. Die Kehle klaffte auseinander, ein See von
     Blut bedeckte den Boden. Der Täter hatte dem Opfer den Rock hochgeschoben und es missbraucht. Er musste, dachte ich, blutbesudelt
     gewesen sein. Das nächste Foto war eine Detailaufnahme der tödlichen Wunde. Auf dem dritten Bild erkannte man das Geldstück,
     das auf der Zunge der Toten lag. Der Täter musste es zum Schluss dort positioniert haben. Ich legte die Bilder beiseite.
    »Noch werden die Dateien überprüft. Aber nicht jeder ungeklärte Mordfall ist bisher in der Datenbank in Wiesbaden erfasst.
     Selbst wenn, wonach soll man suchen? Dass wir diesen Fall gefunden haben, war purer Zufall. Ein Kripobeamter aus Flensburg
     hatte zufällig von unseren Fällen und den Geldstücken gehört und sich an diesen Mord erinnert. Ansonsten können wir weder
     über das Opferschema noch über die Tathergangsanalyse suchen. Zumindest jetzt nicht mehr. In Flensburg hat der Täter völlig
     anders gemordet. Schneller, schlichter.«
    »Seine Wut hat sich gesteigert, und er hat gelernt«, sagte ich leise.
    Hartfeld sah mich an und nickte. »Das könnte sein, es sieht zumindest danach aus. Wir können den Computer nach Mordfällen
     durchsuchen, bei denen Geldstücke gefunden wurden. Das ist bisher das Einzige, was die Fälle verbindet.«
    »Und die DNS«, warf Martin ein. Seine Stimme klang heiser.
    »Was hat es mit dem Geld auf sich?«, fragte ich.
    »Bei Sonja sowie bei dem alten Mann sind Fünfmarkstücke gefunden worden. Keine Sammlerstücke, sondern schlichte Münzen. Sonja
     hatte jeweils eine Münze auf den Augen liegen. Die Augen waren nicht geschlossen worden.«
    |71| Jemand schob mir ein Bild zu. Ich nahm es, erkannte das Gesicht des Mädchens, die zu einer Fratze verzogenen Züge des Todeskampfes.
    »Bei unserem unidentifizierten Opfer befand sich das Geldstück im Enddarm.« Martin räusperte sich.
    »Bitte wo?«
    »Du hast das schon richtig gehört«, bestätigte Robert Martins Aussage. »Das Geldstück befand sich ziemlich tief im Enddarm.«
    »Es sieht sehr danach aus, als wäre es hineingeschoben und nicht geschluckt worden.«
    »Wie ist die Reihenfolge der Taten? Die Frau in Flensburg, dann der alte Mann, dann das Mädchen?«
    »Ja. Vor vier Jahren der erste uns nun bekannte Fall, dann vor fünf Wochen und letzte Woche.«
    »Kann ich die Beschreibung der Verletzungen der jüngsten Fälle lesen?« Thorsten reichte sie mir.
    »Tja, ich denke, wir brauchen alle eine kurze Pause, um nachzulesen, etwas zu trinken und uns zu sammeln.« Robert stand auf.
    »Pinkelpause«, frotzelte Julius.
    »Endlich.« Andreas lachte.
    Ich nahm die Berichte und ging auf die Terrasse. Die Dämmerung fiel ein, es wurde merklich kühler, aber die dicken Sandsteinwände
     des Hauses hatten die Sonnenwärme gespeichert und gaben sie nun wieder ab. Es fiel mir schwer, die Berichte und detailgetreuen
     Schilderungen zu lesen. Aber tatsächlich war es so, wie ich es vermutet hatte. Bei dem Mädchen war er deutlich heftiger und
     brutaler vorgegangen als bei dem alten Mann. Das konnte mehrere Gründe haben. Möglicherweise war der alte Mann senil und hinfällig
     gewesen, so dass sein Leidensweg schneller zu Ende ging als der des vitalen, jungen Mädchens. Oder er hatte lauter gelitten,
     gejammert und das Mädchen nicht. Sonja hatte ich als stoisch und gefühlsarm erlebt. Vielleicht musste der Täter härter vorgehen,
     um das von ihm gewünschte Resultat zu erreichen.
    |72| Möglicherweise aber wuchs auch die Wut des Täters. Rache kam mir in den Sinn, er übte Rache. Aber wieso? Was verband die Opfer?
     Irgendetwas war da, und sei es auch nur im Kopf des Täters. Die Münzen waren die Konstante, welche die von Mal zu Mal exzessivere
     Ausprägung der Mordtat verband.
    Münzen. Ich legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen, spürte die letzten Sonnenstrahlen auf meiner Haut. Was mochten
     die Münzen

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