Lohn des Todes
achtzig. Kräftig.«
»Er hat sich im Bad gesäubert oder es zumindest versucht. Viel wird er nicht ausgerichtet haben können. Er musste dann die
Wohnung besudelt verlassen. Das hat ihm zu denken gegeben.« Ein Gedanke war in meinem Kopf, den ich aber noch nicht greifen
konnte.
»Zur Tötungshandlung können wir eine Menge sagen. Ich schreibe mal nur kurz Stichworte auf. Fall eins – unüberlegt, brutal,
schnell.« Martin griff zum Stift.
»Ungeübt trifft es vielleicht besser als unüberlegt«, wandte ich ein. Martin sah mich an, nickte dann.
»Das stimmt. Es könnte seine erste Tat gewesen sein. Er hat sie sich vorher ausgemalt, aber sie ist nicht so verlaufen, wie
er gedacht hat. Vielleicht brauchte er die vier Jahre, um einen gut durchdachten Plan zu entwickeln.« Robert nickte. »Bei
den Fällen zwei und drei hat er jedenfalls geplant, und das gründlich. Die Tötungshandlung bei beiden ist langwierig, mit
Qualen für die Opfer verbunden, zieht sich über einige Tage. Schließlich begeht er einen Overkill. Er fügt dem Opfer mehrere
Wunden zu, die alle zum Tod führen können. Eine hätte gereicht.«
»Dem Opfer schon, ihm offensichtlich nicht.« Julius nahm eine Zigarette, zündete sie an. »Und er wird von Mal zu Mal schlimmer.«
|80| »Seine Wut steigert sich oder das Machtgefühl, das er über die Opfer hat.« Ich schluckte hart. Inzwischen war es dunkel geworden,
der Abend weit fortgeschritten. Thorsten gähnte verstohlen. Charlie, der zu meinen Füßen gelegen hatte, stand auf und streckte
sich. Er musste raus. Martin schaute zu dem Hund, sah mich dann an. Sein Blick war traurig, fragend, fand ich. Ich konnte
mich aber auch täuschen.
»Pause«, sagte Robert. »Pause, und dann gehen wir nach drüben an den Kamin. Was wir hier machen, ist Brainstorming. Eine gemütliche
Atmosphäre hilft schon mal, zumal das Thema brutal ist. Wir bekommen endlich ein Bild, meine ich. Wir kristallisieren Dinge
heraus. Ihr seid gut, Leute, auch wenn es für euch so aussieht, als würden wir nichts erreichen. Es geht nicht darum, am Ende
einen Namen zu haben, sondern ein Profil. Und das werden wir bekommen.«
»Ich gehe mit dem Hund. Kannst du den Ofen anzünden, Conny? Komm, Charlie.« Martin verließ den Raum.
Was für ein Abgang, dachte ich, fast filmreif.
Thorsten stand auf, streckte sich. »Spricht irgendetwas gegen ein Bier?«
»Nein. Ich habe heute neue Getränke eingekauft. Sie stehen im Kühlschrank. Auch einige Knabbersachen habe ich besorgt.« Robert
lächelte müde. »Wir werden sicher noch eine Weile auf sein, also bedient euch.«
»Toller Service.« Julius grinste, nahm die Zigarettenpackung und ging nach draußen.
Der Ofen war schnell angezündet. Ich setzte mich davor, schaute in das flackernde Feuer. Da war etwas in meinen Gedanken,
das ich nicht fassen, nicht greifen konnte. Es hatte mit dem Fall zu tun. Mein Handy klingelte plötzlich.
»Conny? Hier ist Papa. Reg dich nicht auf. Es ist gar nicht schlimm.« Die Stimme meines Vaters klang hektisch. Sofort pochte
mein Herz bis in die Schläfen.
»Was ist passiert?«
»Mama hatte einen Unfall.«
|81| Es hatte mich schon immer gestört, dass er meine Mutter »Mama« nannte. Nicht nur mir gegenüber, nein, er sprach sie auch so
an. Ein böser Kommentar lag mir auf der Zunge – »Deine Mutter? Die ist doch schon lange tot.« –, aber ich schluckte ihn herunter.
»Was ist mit Mutti?«, fragte ich.
»Sie hatte einen Unfall und liegt im Krankenhaus.«
»Was ist passiert?«
»Mama hatten einen Autounfall.«
»Das habe ich verstanden. Wann war das?«
»Heute Morgen.«
»Wo?«
»Hier, sie war auf dem Markt. Auf dem Weg nach Hause.«
»Was ist passiert?«
»Sie hat die Kontrolle über ihren Wagen verloren und ist gegen einen Baum gefahren. Wieso, weiß niemand. Sie war wohl nicht
zu schnell.« Seine Stimme zitterte, und trotz der Angst, die ich um meine Mutter hatte, empfand ich plötzlich Mitleid mit
ihm.
»Was ist mit ihr?« Ich versuchte, meiner Stimme einen ruhigen Klang zu geben.
»Schleudertrauma, eine oder zwei gebrochene Rippen, Gehirnerschütterung. Ihr geht es soweit gut. Ich wollte … wollte es dir
nur … mitteilen.« Er hatte deutliche Probleme, an sich zu halten.
»Vati, wie schlimm ist es?«
Er schluckte. »Sie ist im Krankenhaus, aber es geht ihr soweit gut. Kopfschmerzen hat sie und Probleme beim Atmen. Das sei
wohl normal, hat mir der Arzt gesagt.«
»Das ist es.« Ich
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