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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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einige Jahre her. Damals, nach dem Tod ihrer Mutter, kam sie zu mir.« Warum hatte ich den Mann bloß angerufen?
     Es war unprofessionell. Er schwieg. Ich suchte nach Worten.
    »Ich kannte Sonja schon aus dem Alexianer.«
    »Sind Sie von der Polizei?«
    »Ich bin Therapeutin. Aber ich arbeite tatsächlich mit der Polizei zusammen. Wir versuchen, den Täter zu finden. Ihre Tochter
     fühlte sich verfolgt, beobachtet. Was wissen Sie darüber?«
    »Sie arbeiten für die Polizei? Ich habe alles gesagt, was ich weiß.«
    »Sonja hat sich bedroht gefühlt. Wissen Sie weshalb?«
    »Nein.«
    »Hat sie nie mit Ihnen darüber gesprochen?«
    »Bedroht? Das hat Sie Ihnen gesagt? Wie war noch Ihr Name?« Auf einmal wirkte er anders, nicht mehr abweisend, sondern interessiert.
    »Constanze van Aken. Ich bin Kinder- und Jugendtherapeutin in Aachen.«
    »Was genau hat sie Ihnen erzählt?«
    »Nicht viel, Herr Kluge. Ich habe auch gerade erst darüber nachgedacht und wollte wissen, was Sonja Ihnen erzählt hat.« Das
     war nicht ganz richtig. Eigentlich wollte ich herausfinden, |85| wie das Verhältnis vom Vater zur Tochter gewesen war und warum er sie, nach meinem Gefühl, so schnell im Stich gelassen hatte.
    »Hat sie Namen genannt? Das war direkt nach dem Tod meiner Frau, richtig?«
    »Nein, Namen hat sie mir nicht genannt. Ihnen?« Plötzlich hörte ich Geräusche im Hintergrund. Der Mann legte eine Hand über
     das Telefon, sprach zu jemandem.
    »Hören Sie«, sagte er dann, »es ist gerade ungünstig. Ich rufe Sie zurück.« Dann legte er auf.
    Was war das denn, Conny?, dachte ich verdutzt. Nun ja, ich hatte ihn an einem Samstagabend überraschend gestört. Seine Tochter
     war knapp seit einer Woche tot. Vermutlich hatte er ganz andere Sorgen, als mit einer Therapeutin über die Ängste seiner Tochter
     zu reden. Und doch war etwas seltsam an seinem Verhalten gewesen, ich kam nur nicht darauf, was es war. Langsam ging ich zurück
     zum Haus. Die anderen hatten sich im Wohnzimmer versammelt, Martin hatte das Whiteboard aufgestellt.
    »Kommen wir zu Punkt drei – Beseitigung der Leiche. Auch hier gibt es gravierende Unterschiede zwischen Fall eins und zwei
     und drei. Beim ersten Fall hat der Täter das Opfer am Tatort belassen. Die Leiche wurde am nächsten Tag von der Polizei gefunden,
     nachdem eine Nachbarin diese wegen des eingeschlagenen Fensters informiert hatte. Da niemand öffnete, drangen die Polizisten
     ein. Die beiden anderen Opfer wurden positioniert. Beide auf einem Rastplatz an der Autobahn. Es war jeweils die A61.«
    »Die Opfer«, fügte Robert Martins wie immer sachlich gehaltenem Bericht hinzu, »wurden so hingelegt, dass sie gefunden werden
     mussten. In einer erniedrigenden Position, nackt, breitbeinig, wie zur Schau gestellt.«
    »Erniedrigend nur für die Opfer, aber die waren zu dem Zeitpunkt schon lange tot«, murmelte ich.
    Robert sah mich an. »Das ist richtig. Was schließt du daraus?«
    |86| »Das, was offensichtlich ist: Er wollte die Opfer noch über den Tod hinaus demütigen. Nachdem er sie gefangen gehalten und
     gequält, sie mehrfach getötet hatte.«
    »Wer macht so etwas, Conny? Was treibt jemanden dazu?« Ich hatte mich wieder auf das Kissen vor dem Ofen gesetzt. Robert gab
     mir das Weinglas, das ich vorhin auf den Tisch gestellt hatte. Der Wein war inzwischen nicht mehr kalt, ich trank ihn trotzdem.
    »Wer das macht, kann ich nicht sagen. Klar ist jedoch, dass ihn eine Menge Wut zu so einer Tat treibt. Möglicherweise ist
     es auch triebbedingt. Er befriedigt seine Lust über Tage. Aber das ist ein ganz seltenes Krankheitsbild. Seltsam ist die lange
     Spanne zwischen dem ersten und dem zweiten Fall und die rasche Folge des dritten Falles.«
    »Was meinst du mit ›seltsam‹, Conny?« Robert stand auf, ging zur Tür, schaute mich aber immer noch an. »Überleg, bevor du
     antwortest, ich bin sofort wieder da.«
    Er kam mit der Flasche Wein zurück und einem Glas Bier. »Also, was ist daran seltsam?« Er trank, schenkte mir dann Wein nach.
    »Die Zeitspanne. Ich kann nicht glauben, dass er jahrelang nicht gemordet hat und nun so zuschlägt. Ich kann auch nicht glauben,
     dass er keinen Plan hat und nur wahllos greift, was sich ihm bietet. Das ergibt keinen Sinn.«
    »Welchen Sinn haben Morde, Conny?«, fragte Julius. »Oftmals keinen. Manchmal Rache.«
    Ich überlegte, nickte dann. »Ja, du hast recht. So sieht es von außen aus. Für die meisten Mörder hat aber ihre Tat einen
     Sinn. Sie

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