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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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der wird ja wohl auch noch eine gemeinsame Nacht in diesem Haus überstehen.« Ich spuckte die Worte
     aus, wusste, dass ich ihn verletzte. Es tat mir gut. »Allerdings nicht hier, nicht in diesem Zimmer. Pack dich nach nebenan.«
    Martin stand auf, ging zur Tür. Ich wich ihm aus, wollte auf keinen Fall von ihm berührt werden.
    »Conny, das Ganze tut mir furchtbar leid.« Er blieb an der Tür stehen, sah mich an, seine Augen glitzerten.
    »Vielleicht solltest du mich doch ausbezahlen. Ich suche mir dann ein schönes Grundstück mit Meerblick und weitab von dir.«
    »Das kannst du nicht wirklich so meinen, nicht nach all den Jahren.«
    »Aber du konntest nach all den Jahren mal eben so mit Maria ins Bett hüpfen.«
    »So war es nicht.«
    »Das glaube ich dir auf Grund deines Alters gerne, da ist nicht mehr viel mit Hüpfen. Gute Nacht, Martin.«
    Ich schloss die Tür hinter ihm, ignorierte seinen waidwunden Blick. Dann stieß ich den Atem aus. So cool und gelassen, wie
     ich getan hatte, fühlte ich mich bei weitem nicht. Ich hörte ihn ins Bad gehen, dann in das kleine Zimmer nebenan. Ich wartete
     noch eine halbe Stunde, atmete flach, achtete auf |92| jedes Geräusch. An Schlaf war nicht zu denken. In mir pulsierte die Wut, vermischte sich mit Hilflosigkeit und dem Gefühl,
     zu Martin gehen und ihn trösten zu müssen. Letzteres war undenkbar.
    Schließlich war nichts mehr zu hören, bis auf das Knacken im Gebälk und den Wind, der ums nächtliche Haus strich.
    Dann schlich ich mich nach unten, zündete ein paar Kerzen an und setzte mich vor den Ofen. Der Rest des Feuers glimmte, die
     gusseiserne Form strahlte Wärme aus.
    Ich fühlte mich ganz und gar verloren.

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    Kapitel 11
    Ich befand mich in einem fremden Land zwischen Traum und Wachsein, Filme liefen in meinem Kopf ab, kurze Passagen. Wie Martin
     aussah, als er mich das erste Mal küsste, mich liebte, wir das Haus kauften. Meine Eltern beim Umzug, in ihrem Haus, mein
     Vater beim Segeln.
    So viele Jahre waren meine Eltern nun verheiratet und immer noch glücklich. Warum hatte ich das nicht annähernd geschafft?
     Warum hatte Martin mich so verletzt? Warum liebte er mich nicht mehr? Ich saß auf dem Boden, die Beine angezogen, die Stirn
     auf die Knie gepresst, und haderte mit meinem Leben.
    Das Handy riss mich aus meinen Gedanken. Erschrocken nahm ich es auf, drückte die grüne Taste.
    »Sag mal, was ist los? Ich erreiche Vati nicht.« Es war Rita, meine Schwester.
    »Mutti hatte einen Unfall.«
    »Soweit bin ich auch schon, du Schlaue.« Sie klang aggressiv, verschliff die Silben, hatte wohl einmal wieder zu viel getrunken.
     Rita trank in Etappen. Wochenlang konnte sie nüchtern bleiben, ganz bewusst, das hielt sie auch jedem unter die |93| Nase, ihre Enthaltsamkeit. Und dann kamen wieder Zeiten, in denen sie Alkohol exzessiv missbrauchte. Sie trank bis zum Umfallen.
     Bevor sie umfiel, kam eine Phase, in der sie mit Vorliebe andere anrief oder ihnen Mails schrieb. Ein anderthalb Meter langer,
     nicht jugendfreier Fluch war das Mindeste, was sie von sich gab. Sie wurde ausfällig, beleidigend.
    »Rita, ich bin nicht in der Stimmung, mich mit dir zu streiten.«
    »Ich will mich nicht mit dir streiten, ich wollte nur fragen, wo du bist?« Sie lachte, es klang nicht lustig.
    »Ich bin in der Eifel und es ist … Moment … nach ein Uhr nachts. Was genau willst du von mir?«
    »Du bist in deinem abgewrackten Ferienhaus im Niemandsland statt bei unseren Eltern? Hallo? Conny?«
    »Rita, wo bist du denn?«, fragte ich mit einem erzwungenen Lächeln.
    »In Prag, beruflich. Beruflich!« Sie wiederholte es betont deutlich.
    »An einem Wochenende?«
    »Ja, natürlich. Und warum hast du deinen Arsch noch nicht zu den Eltern bewegt? Mutti ist verletzt, liegt im Krankenhaus,
     und Vati ist alleine. Du bist in deinem netten Ferienhaus. Wie niedlich, Conny.«
    »Rita, werde nicht ausfallend. Ich fahre morgen zu den Eltern.«
    »Ach, musst du erst noch deinen Typen bumsen, oder was hält dich auf?«
    »Rita!« Ich schnappte nach Luft. Auf Streit mit meiner Schwester stand mir nun wirklich nicht der Sinn. »Werd nüchtern und
     vernünftig, ich kümmere mich schon!« Ich legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten.
    »Conny? Ein Déjà-vu? So kommt es mir vor. Entschuldige, wenn ich störe. Ich habe …« Robert stand im Türrahmen.
    »Stimmen gehört. Ich weiß, eine Unart in diesem Haus. Muss an dem Friedhof liegen. Die Geister, weißt du?« Ich lächelte

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