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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Robert
     schwach zu, seufzte dann tief. »Es ist grausig.«
    |94| »Deine Mutter?« Er setzte sich neben mich auf den Boden, reichte mir eine Tasse dampfenden Tee. Robert schien schon eine Weile
     zugehört zu haben.
    »Nein, meine Schwester. Schlimmer als jeder Unfall, sie ist die Katastrophe in Person.« Ich lächelte schwach. »Das war übertrieben,
     ich bin müde und aufgerieben.«
    »Kein Wunder.« Er nippte an seiner Tasse, starrte in das schwach glimmende Feuer. »Das ist alles nicht einfach, oder?«
    »Nein.«
    »Muss ich mich treten, mich schelten, dafür, dass ich dich zurückgeholt habe? In eine für dich unerträgliche Situation?« Seine
     Stimme war so leise, dass ich ihn kaum hören konnte.
    »Es war doch meine Entscheidung.«
    »Du hast sie auf mein Drängen hin getroffen.«
    »Nachdem ich die Akte von Sonja gelesen hatte. Es war meine Entscheidung, Robert. Meine allein. Die Entscheidung war vielleicht
     dumm und übereilt und ohne Nachdenken getroffen. Ich habe die Geschichte mit Martin …« Ich stockte, mochte den Namen meiner
     Rivalin nicht noch einmal aussprechen. »Mit Martin und … ihr verdrängt.«
    »Ich auch. Ich wollte dich im Team haben. Schon lange. Schon, bevor ich dich kannte.« Er schwieg kurz. »Bromkes hat viel von
     dir erzählt.« Robert warf mir einen kurzen Blick zu, schaute dann wieder in den Kamin. »Nur lobend.«
    »Von meinem Rosmarinlamm, nehme ich an.« Ich lächelte schwach. »Ich habe nicht viel zu den Ermittlungen beigetragen. Sonja
     hat sich verfolgt gefühlt, mir aber nie gesagt, durch wen. Das hätte ich dir auch telefonisch mitteilen können. Ich hätte
     euch und mir viel erspart.«
    Robert atmete tief ein. »Dir bestimmt. Mir hast du trotzdem geholfen. Der Blick, den du auf den Täter hast, ist ein anderer,
     als ich ihn hatte. Ich habe den Fortschritt der Taten anders beurteilt, die Tötungsarten. Es gibt grausame Täter, die in Serie
     töten und jedes Mal anders. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Täter drei Jahre lang nicht zugeschlagen hat.« Er schnaufte
     leise. »Du aber schon.«
    |95| Ich überlegte, trank einen Schluck Tee, er war ungesüßt. »Ja, ich denke schon. Ich halte es zumindest für möglich.«
    »Warum?«
    Langsam rieb ich mir über das Gesicht, im Grunde war ich todmüde, meine Gedanken verschwammen. »Weil er die erste Tat aus
     Wahn begangen hat. Aus einem Trieb, aus Wut und Hass und Rache, aus einem Gefühl, das sich nicht mehr unterdrücken ließ. Er
     hatte sein Opfer gefunden, vielleicht nach einiger Suche, und dann, ohne viel zu planen und nachzudenken, zugeschlagen. Er
     wurde von der Wucht, der Intensität und vielleicht«, ich hielt kurz inne, »der Grausamkeit und Gewalt der Tat überrascht.
     Gegenwehr, Blut, Schreie. Er hatte es sich anders, einfacher vorgestellt. Und doch vollendet er, vielleicht unter Ekel, die
     Tat, vergewaltigt das Opfer, legt die Geldstücke hin, geht. Schockiert. Er braucht Jahre, bis er wieder zuschlägt. Aber in
     der Zeit hat er sich besser vorbereitet. Ein Haus angemietet oder gekauft, einen Keller, einen Schuppen präpariert … er ist
     gewappnet. Er begeht die nächste Tat, und sie gelingt. So wie er es wollte. Er quält sein Opfer, lässt es sterben, tötet es
     einmal, zweimal, dreimal und drapiert die Leiche dann. ›Ihr sollt alle sehen, wozu ich fähig bin‹, das sagt es aus.« Ich schluckte.
     »Es ist Rache«, sagte ich dann leise.
    »Das denke ich auch, seit du deine Meinung geäußert hast. Vorher dachte ich an einen Irren, ohne Motiv. Einen Killer. Ich
     war in Amerika, habe beim FBI in Quantico Kurse belegt. Da gab es solche Fälle. Killer, die töten um des Tötens willen. So
     einer ist das, dachte ich. Bis du kamst.«
    »Und jetzt hast du deine Meinung geändert? Ich habe nur Hypothesen. Ich weiß nichts, ich denke das nur. Und kann ganz falsch
     liegen.« Ich hielt mir die Teetasse vor das Gesicht, noch war das Getränk heiß, machte mein Gesicht warm. »Ich bin gut darin,
     mich zu täuschen.« Plötzlich klang ich jämmerlich.
    Robert lachte leise, nicht heiter. »Mir tut es schrecklich leid. Für dich müssen die letzten Stunden die Hölle gewesen sein.
     Wir waren alle erstaunt, als du gestern aufgetaucht bist.«
    »Ihr habt es alle gewusst?«
    |96| »Das von Martin und Maria?«
    Ich war mir für einen Moment noch nicht einmal sicher, ob ich die Antwort hören wollte. Dann nickte ich stumm. Die Frau erfährt
     es zuletzt, was für ein albernes Klischee, mir war übel.

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