Lohn des Todes
Situation zu entfliehen. Flucht ist niemals ein guter Ausgangspunkt,
das wusste ich. Ich konnte dem Problem mit Martin nicht davonlaufen, musste mich ihm stellen.
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|101| Kapitel 12
Ich parkte auf der Oppenhoffallee, ging in meine Wohnung. Auf einmal erschien sie mir zu groß und zu leer. Unschlüssig blieb
ich im Flur stehen. Es war Sonntagmittag, und ich wusste nichts mit mir anzufangen. Charlie gähnte, suchte sich einen Platz,
der von der Sonne beschienen wurde, drehte sich im Kreis und legte sich hin.
Ich nahm das Telefon, stellte die Kaffeemaschine an und setzte mich dann auf den Balkon. Der Flieder blühte schon, es duftete
süß. Miriams Nummer hatte ich eingespeichert. Ich drückte die Kurzwahltaste.
»Das muss wohl Gedankenübertragung gewesen sein, meine Gute. Ich habe gerade an dich gedacht.« Miriams Stimme klang heiter
und vertraut, plötzlich hatte ich einen dicken Kloß im Hals.
»Miriam …« Ich hörte mich an wie ein kleines Kind, schluckte, versuchte meiner Stimme einen festeren Klang zu geben. »Miriam,
schön, dass du da bist …«
»Auweia. Es ist etwas passiert. Ist Martin nach Aachen gekommen?«
Ich konnte ihr nichts vormachen. Die Gefühle, die Verwirrung, meine Wut und Verletzungen schlugen sich einen Weg durch die
Mauer, die ich versucht hatte aufzubauen.
»Liebelein«, sagte meine Freundin sanft, aber bestimmt, »Nichts ist so schlimm, dass man damit nicht fertig wird. Ich spreche
aus langjähriger Erfahrung. Ich kann in etwa zwei Stunden bei dir sein. Hast du bis dahin einen Wein gekühlt?«
Ich nickte, zwang mich zustimmend zu murmeln.
»Gut. Halt durch! Wir beide schaffen das schon.« Dann legte sie auf.
Ich ließ die Tränen laufen. Charlie, der es sich inzwischen zu meinen Füßen bequem gemacht hatte, sprang plötzlich auf und
lief zur Tür.
»Charlie?« Es war Martin.
|102| Ich rieb mir die Tränen in die Wangen, putzte mir die Nase. Am liebsten hätte ich mich im Bad eingeschlossen, wollte nicht,
dass er mich so sah. Es war demütigend. Was zum Teufel machte er überhaupt hier?
»Conny.« Martin stand in der Tür, die von der Küche auf den Balkon führte. Er war bleich, hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Was machst du hier?«
Die Frage hatte er mir vor achtundvierzig Stunden schon einmal gestellt. Ich biss mir auf die Lippen.
»Es ist meine Wohnung, vergessen? Was machst du hier?«
»Ich stehe auch im Mietvertrag, Conny.« Er machte einen müden Eindruck. »Du wolltest doch zu deinen Eltern fahren?«
»Meine Mutter geht es besser. Sie braucht viel Ruhe, deshalb meinte mein Vater, es sei nicht so gut, wenn ich jetzt kommen
würde.«
»Ist sie krank?«
Mir wurde bewusst, dass Martin ja nichts von dem Unfall wusste. Ich hatte nur mit Robert darüber gesprochen.
»Sie hatte einen Unfall mit dem Wagen und liegt im Krankenhaus.«
»Ist es schlimm?« Erschrocken sah er mich an. Martin hatte sich mit meinen Eltern immer sehr gut verstanden. Besser als mit
seinen Eltern, zu denen er nur ein frostiges, oberflächliches Verhältnis hatte. Nun zog er sich den Stuhl heran, setzte sich
neben mich. Ich fühlte mich versucht, seine Hand zu nehmen, die Wärme seiner Haut zu spüren, hielt mich aber zurück.
»Es geht wohl wieder. Sie hat einige Prellungen, ein Schleudertrauma, eine angebrochene Rippe. Sie braucht Ruhe.«
»Wie ist das passiert?«
»Regennasse Straße. Sie hat die Kontrolle über den Wagen verloren.«
»Ach du Schande! Dein armer Vater, er wird vermutlich ziemlich aufgelöst sein.«
»Das war er gestern. Heute ging es schon viel besser. Er hat |103| mich beruhigt und mir klargemacht, dass ich eher Unruhe bringen würde als Hilfe.«
Wir redeten miteinander wie früher, ganz normal. Als wäre nie etwas passiert, als würde es Maria nicht geben. Plötzlich wurde
ich wieder wütend. Warum hatte Martin mich betrogen? Warum musste er mich in diese Situation bringen? Und was wollte er überhaupt
in Aachen? Warum war er nicht nach Köln gefahren?
»Ich hoffe, es geht ihr bald besser.« Martin sah mich an. Vermutlich bemerkte er die Wut in meinem Gesicht. Er seufzte, senkte
den Kopf in die Hände. »Beschissene Situation, oder?«
»Das kannst du wohl laut sagen. Was willst du hier? Deine Sachen holen?«
Martin schwieg, ich hatte ins Schwarze getroffen. Ich stand auf, schüttelte den Kopf. »O Gott, wie erbärmlich. Du dachtest,
ich sei im Norden und du hättest alle Zeit und Ruhe, um gemütlich
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