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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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wenn ich gewisse Dinge lerne. Unsere Nachbarin hilft mir. Es ist ganz lieb von dir, Conny, aber nicht nötig.«
    Diesmal fühlte ich mich nicht abgeschoben. Er hatte recht, es war gut für ihn, wenn er diese Dinge lernte. Der Unfall meiner
     Mutter hätte auch anders ausgehen können, was wäre dann gewesen? Es war ein komisches Gefühl zu spüren, dass die Eltern plötzlich
     alt wurden und man sich um sie sorgte, statt andersherum. Ein Gefühl, an das ich mich würde gewöhnen müssen.
     
    Bei der Besprechung in der Eifel hatte ich mir Notizen gemacht, hatte alle Informationen vom Whiteboard abgeschrieben. Nun
     nahm ich mir diese Notizen wieder hervor. Jahre waren zwischen dem ersten und den nächsten Fällen vergangen. Vier Jahre. Vor
     fünf Jahren war Sonjas Mutter gestorben. Bei einem Autounfall. Und Sonja hatte sich bedroht und verfolgt gefühlt. Was, wenn
     tatsächlich der Mörder damals schon hinter ihr her gewesen war? Was, wenn er tatsächlich den Wagen von Sonjas Mutter manipuliert
     hatte? Dann war das vielleicht sein erster Mord. Er fängt klein an und steigert sich immer mehr. Vor fünf Jahren manipuliert
     er einen Wagen, verfolgt ein Mädchen, weiß aber noch nicht, wie und wo er sie umbringen soll. Vor vier Jahren dringt er in
     eine Wohnung ein, tötet eine Frau. Er verlässt die Wohnung überstürzt. Möglicherweise gab es Taten in der folgenden Zeit,
     irgendwie |109| mochte ich daran nicht glauben. Warum, wusste ich nicht, es war nur ein Gefühl. Die weiteren Taten, die er dieses Jahr beging,
     hatten so viel mehr Brutalität, waren aber auch so viel ausgeklügelter als die erste. Ich glaubte, dass er seinen Hass und
     seine Wut drei Jahre lang unterdrückt hatte, um sie nun herauszulassen. Er hatte Pläne entwickelt, dafür gesorgt, dass er
     die Möglichkeiten hatte, diese auszuführen, und schlug erst dann zu, als er sich ganz sicher war.
    Es musste eine Verbindung zwischen den Opfern und dem Täter geben. Es waren keine spontanen Taten, es waren ausgefeilte Morde,
     voller Wut. Overkill – und alle mit einem Fetisch, dem Fünfmarkstück.
    Ich schaltete meinen Computer an, trug »Fünfmarkstück« bei Google ein. Der erste Eintrag war von eBay, danach gab es in Sammlerforen
     Fragen zu dem Wert verschiedener Markstücke. Das Fünfmarkstück von 1958 mit dem Buchstaben J war ziemlich viel wert, lernte ich. Ich durchforstete einige Seiten, aber auch mit dem Zusatz »Fetisch« kam ich nur auf Münzsammler.
     Ich suchte in meiner Fachliteratur nach Aufsätzen zum Thema Fetisch, Jedoch fand ich dort nur wenig, was mir geeignet schien.
     Eine Paraphilie. Aber ein Geldstück als Fetisch?
    Fetischismus darf nach ICD-10 nur dann diagnostiziert werden, wenn er so ausgeprägt ist, dass er die wichtigste oder sogar
     einzige Quelle sexueller Erregung darstellt und den Geschlechtsverkehr für den Betroffenen fast zwanghaft oder qualvoll werden
     lässt.
    Qualvoll war der Geschlechtsverkehr eher für die Opfer gewesen, dachte ich und schalt mich gleichzeitig. Wir wussten fast
     nichts über den Täter. Vielleicht war es ja tatsächlich seine einzige Art, sich sexuell abreagieren zu können. Er war ichsynton
     für sich selbst, erlebte sich nicht als krank. Für ihn war die Befriedigung seiner Triebe auf diese Art durchaus normal, nur
     für seine Umwelt nicht. Möglicherweise hat er seine sadistischen Fantasien immer unterdrückt, und nun schreitet er endlich
     zur Tat und dies so gewaltvoll, wie es nur ging. Jahrelange |110| unterdrückte Fantasien können zur Qual für den Patienten werden, er fühlt sich schuldig, weil ihn gewisse Gedanken erregen,
     normaler Geschlechtsverkehr aber nicht. Weil aber das Ausleben dieser Fantasien nicht gesellschaftskonform ist, unterdrücken
     es viele Menschen.
    In den letzten Jahren hat die Akzeptanz für solche Spielarten große Fortschritte gemacht. Mord beinhaltete das jedoch nicht.
    Wie passte das Geldstück? Eine Währung, die nicht mehr gebräuchlich war. Entweder war er Sammler, und die Geldstücke hatten
     auf dem Markt einen Wert, und dadurch, dass er sie bei den Opfern beließ, erfüllte er eine vermutlich nur für ihn verständliche
     Handlung, die jedoch primär mit dem Akt zu tun hatte. Oder das Geldstück hatte eine andere, wichtige Bedeutung für ihn. Nicht
     zwangsläufig eine sexuelle, aber doch eine tragende. Ansonsten hätte er nicht jedes Mal Geldstücke am Tatort hinterlassen.
    Vielleicht war es aber auch einfach ein Zeichen. Er wollte damit

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