Lohn des Todes
»Alles wird gut« ins Ohr flüstern. Aber so einfach
war es nicht.
Aremberg, ich überlegte, das war sicher gut eine Stunde Fahrt bis nach Aachen. In Aachen hatte Sonja gelebt. Immerhin näher
als Flensburg. Die Frau aus Flensburg war auch älter gewesen.
»Kann ich die Akte einmal haben?«
Robert sah mich erstaunt an, nickte dann und schob mir den dicken, roten Pappordner zu. »Was suchst du denn?«
»Wie viel wissen wir über die Frau aus Flensburg? Hat sie schon immer im Norden gelebt? Oder kommt sie vielleicht hier aus
der Gegend?«
»Du suchst nach Verbindungen zwischen den Opfern? Gute Idee. Soweit ich weiß, stammte sie aus Flensburg, aber schau selbst.«
Einen kurzen Lebenslauf fand ich in der Mordakte. Gerda Hoffmann, geborene Liffers, siebensechzig Jahre alt, als sie starb,
geschieden, kinderlos. Sie war Hotelfachfrau gewesen. Gastronomie. Das war schon mal ein gemeinsamer Punkt. Kannte sie Mueskens?
Zwei Jahre vor ihrer Hochzeit, Ende der sechziger Jahre, hatte sie einige Zeit in Düsseldorf gearbeitet.
Düsseldorf, nicht die Eifel. Aber vielleicht hatte sie doch |116| Kontakte dorthin gehabt. Ich sah Robert an, schob ihm die Akte zu.
»Kannst du das überprüfen lassen? Alte Kollegen, Freunde, Familie? Vielleicht kannte sie Mueskens, die Gastronomieszene ist
wie eine große Familie.«
»Ja,« er nickte, »gute Idee.« Er nahm sein Telefon, wählte, sprach mit jemandem. Ich las wieder in den Unterlagen, aber meine
Gedanken schweiften ab. Die Nachbarin des alten Mannes war bei ihrer Tochter, hatte diese betreut, als das Kind kam. So sollte
es sein. Mein Vater hatte mich angerufen, als meine Mutter den Unfall hatte. Nun versuchte er es erstmal alleine, hatte aber
die Option, dass ich jederzeit kommen würde. Familie. Blut ist immer dicker als Wasser. Wo war Rainer Kluge, nachdem seine
Frau verunglückt war und seine Tochter voller Ängste zu Hause saß? Er war fast sofort auf Geschäftsreise gegangen. Das Kind
war voller Ängste, Phobien, und er fuhr einfach weg? Das war nicht stimmig und passte nicht zu dem treusorgenden Vater. Ich
schob den Gedanken beiseite, das hatte nichts mit den anderen Fällen zu tun.
»Könnte der Täter aus der Gastronomieszene kommen?« Robert sah mich nachdenklich an.
»Möglich, aber wie passt Sonja dann dazu? Ich bin immer noch von einem Opfer-Täter Bezug überzeugt, uns fehlen nur die nötigen
Puzzlestücke. Wir wissen auch viel zu wenig über Sonja. Über ihr Leben, ihre Freunde, Hobbys.«
»Das SOKO-Team ist noch dran. Sie versuchen, weitere Details herauszufinden.«
Plötzlich wurde es unruhig auf dem Flur und in dem Raum nebenan. Schritte, Stimmen, Stühle wurden gerückt. Jemand klopfte
an die Tür, öffnete sie.
»Ihr seid das OFA-Team? Wir sind die SOKO zum Nachteil von Heinrich Mueskens. Julius, kommst du rüber?«
Julius sah Robert an, zuckte dann mit den Schultern. »Ich halte euch auf dem Laufenden.«
»Jetzt, da wir wissen, wer das Opfer ist, können wir vielleicht den Täter aus der Reserve locken.« Robert nickte zufrieden.
|117| »Cold Case Management?«, fragte Thorsten.
»Eher proaktive Strategien.«
»Du willst ihn verunsichern, indem du die Massenmedien einschaltest?« Ich schenkte mir Kaffee ein, spürte, wie abgespannt
ich war.
»Es wäre eine Möglichkeit, um ihn aus der Reserve zu locken.«
»Das funktioniert fast immer nur bei Tätern, die entweder absolut von sich selbst überzeugt sind oder völlig verunsichert.«
Ich dachte nach, wie schätzte ich den Täter ein? Intelligent war er ganz bestimmt. Sein Modus Operandi hatte sich verändert,
er hatte dazugelernt, sich verbessert. Und er war von Tat zu Tat brutaler vorgegangen. Seine Wut hatte er also nicht abreagiert,
sie war stattdessen gewachsen. Es gab natürlich verschiedene Möglichkeiten, über Massenmedien auf Täter Einfluss zu nehmen.
Man konnte ihn durch gezielte Falschinformationen provozieren. Manche Täter setzten sich dann über die Medien mit der Polizei
in Verbindung, um die Sache klarzustellen oder den Bericht zu verbessern.
Was war diesem Täter wichtig? Welche Konstante wiesen die Fälle auf? Die Geldstücke fielen mir ein. Diese Konstante hatte
es seit dem ersten Fall gegeben. Möglicherweise kamen wir so an ihn heran.
»Robert, ich denke, die Geldstücke sind wichtig. Es wäre gut zu wissen, ob sie Sammlerwert haben.«
Robert zog die Augenbrauen zusammen, nickte dann aber. »Falls sie wertvoll sind, könnten wir
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