Lohn des Todes
auszusortieren.«
Er hob den Kopf, sah mich traurig an. »Ja.«
»Dann pack dein Zeug und verschwinde. Soll ich dir helfen?« Ich hätte schreien mögen. »Nein, den Gefallen tue ich dir nicht,
die Arbeit kannst du gerne alleine machen.«
»Reg dich nicht auf, Conny. Ich weiß, die Situation ist schwierig, schwierig für uns alle.«
»Schwierig? Für uns alle? Meinst du für mich, dich und dein Herzchen Maria? Ich könnte kotzen, Martin.«
»Maria ist kein Herzchen. Sprich nicht so abwertend von ihr.«
»Aber sie darf abwertend über mich sprechen? Herzlichen Dank. Nein, sag nichts, ich habe euch beide reden gehört, und sie
hat über mich keineswegs freundlich gesprochen.« Ich holte tief Luft.
»So ist das doch gar nicht. Die Situation ist angespannt. Für uns alle. Und es ist mein Fehler, das weiß ich. Es tut mir leid,
Conny.«
Es tut mir leid, die Worte hallten in meinem Kopf wider. Ich kniff die Augen zusammen.
|104| »Wir müssen den Mietvertrag ändern und uns überlegen, was mit dem Haus in der Eifel wird«, stieß ich hervor.
»Um Himmels willen, Conny. Nun brich doch nicht alles übers Knie … Bitte, gib mir Zeit. Ich wollte ein paar Sachen holen und
dann zu Andreas fahren, nicht zu Maria. Ich muss nachdenken.«
»Dann denk nach! Aber vielleicht bin ich nicht mehr da, wenn du irgendwann ankommst und an früher anknüpfen möchtest.« Ich
drehte mich um, rief den Hund und verließ die Wohnung. Im Treppenhaus liefen mir schon wieder die Tränen über die Wangen.
Ich fühlte mich verlassen und gedemütigt.
Mit Charlie drehte ich eine lange Runde um die Frankenberger Burg. Sonntagnachmittag, eine Menge verliebter Pärchen und junge
Familien nutzten das schöne Wetter. Immer wieder wischte ich mir die Tränen aus den Augen. Nie wieder würde ich glücklich
sein, dachte ich und wusste, dass das nicht stimmte. Der Schmerz saß tief und tat weh, aber er würde mit der Zeit vergehen.
Zehn gemeinsame Jahre verbanden mich mit Martin. Zehn lange und schöne Jahre. Wir hatten auch schwierige Zeiten überstanden,
Probleme bewältigt, Krisen überlebt. Doch diesmal schien es wirklich zu Ende zu sein.
Ich ließ mich auf eine der Parkbänke fallen und vergrub mein Gesicht in den Händen. Warum tat er mir das an? Nachdem ich einige
bittere Tränen vergossen hatte, schaute ich auf. Charlie lag vor mir, er wedelte vorsichtig mit der Rute, sah mich fragend
an.
Als ich zurück in die Wohnung kam, war Martin weg. Ich fühlte mich enttäuscht und erleichtert zugleich. Irgendwie war damit
eine Entscheidung gefallen, dachte ich, auch wenn nichts ausgesprochen war. Da ich vergessen hatte, Wein kaltzustellen, stopfte
ich nun zwei Flaschen in den Gefrierschrank und sah mich um. Es fehlte etwas von Martins Kleidung, ein paar seiner Unterlagen,
seine Lieblingsbücher. Wirklich viel hatte er nicht mitgenommen.
Die Abendsonne schien auf den Balkon, ich rückte meinen |105| Stuhl in den Lichtfleck, ließ mich wärmen. Doch es wurde deutlich kühler. Es war immer noch Frühling, kein Sommer. Gerade
als ich beschlossen hatte, ins Wohnzimmer umzuziehen, schellte es.
»Liebchen.« Miriam drückte mich an sich, ich prustete verhalten. »Was für ein Schlamassel!« Sie nahm mich bei den Schultern,
sah mich prüfend an, drückte mich dann wieder. Ich kannte Miriam, das gehörte einfach zu ihrer Art. Aber heute Abend war ich
einfach zu verstört, um es gelassen und mit Humor zu nehmen.
»Willst du mich erdrücken?« Ich stemmte mich aus ihrer Umarmung. »Damit würdest du Martin einen großen Gefallen tun.«
»Du Schmock, ich würde doch nie etwas für ihn und gegen dich tun. Was also ist passiert? Hast du Wein kaltstehen? Wenn nicht,
ist nicht schlimm. Ich habe eine Flasche mitgebracht.« Sie ging zielstrebig an mir vorbei ins Wohnzimmer, setzte sich auf
das Ledersofa und stellte die Flasche auf den Tisch. »Öffner und Gläser habe ich vergessen, aber damit kannst du sicherlich
dienen.«
»Kann ich.« Ich holte Öffner und Gläser, beschäftigte mich intensiv mit beiden, schenkte ein, trank versuchend einen Schluck.
Eines vermied ich: sie anzusehen. Miriam schwieg. Sie trank, das erkannte ich aus den Augenwinkeln, sie lehnte sich zurück
und wartete. Ich trank einen weiteren Schluck von dem Wein, schaute Charlie an, sah mich um, versuchte Worte zu finden, fand
keine. Miriam schwieg immer noch. Schließlich räusperte ich mich.
»Schön, dass du da bist.« Meine Stimme klang
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