Lohn des Todes
verstehen.«
»Die fachliche Zusammenarbeit scheint ja zu funktionieren. Man muss das nicht überstrapazieren.« Ich wollte nicht über Martin
reden.
»Deine Einschätzung des Täters fand ich ziemlich gut. Ich hoffe, wir kommen ihm auf die Spur.«
»Die Möglichkeit ist durchaus gegeben. Wir müssen nur herausfinden, ob es eine Verbindung zwischen den Opfern und dem Täter
gab. Da wird dann auch das Motiv zu finden sein.« Wir steuerten wieder sicheres Gelände an. Ich lehnte mich zurück.
»Wir müssen uns noch intensiver mit der Tathergangsanalyse befassen.«
»Nun ja, das haben wir ja gerade begonnen. Aber nachdem ich die Bilder gesehen habe, bin ich tatsächlich froh über eine Unterbrechung.«
Er warf mir einen schnellen Blick zu, setzte dann den Blinker, fuhr in eine Einfahrt. »Wir sind da.«
Ich hatte nicht auf die Strecke geachtet, wusste nicht genau, wo in Köln wir nun waren. Irgendein Vorort musste es sein. Ältere
Siedlungshäuser standen neben neuen Reihenhäusern. Das Haus der Tante gehörte zur ersten Gruppe. Wir stiegen aus dem Wagen,
Robert nahm meinen Rucksack. Ganz Gentleman, dachte ich und musste grinsen, so wie er es versprochen hatte.
Er schloss die Tür auf und ließ mich eintreten. Ich hatte einen dunklen Flur erwartet, Linoleum, vielleicht sogar einen leicht
staubigen Geruch. Doch es roch frisch nach Blumen. Robert schaltete das Licht ein. Erstaunt sah ich mich um: weiße Fliesen,
ein raumhoher Spiegel, ein großformatiges abstraktes Bild. Langsam folgte ich Robert.
»Hier rechts ist das Wohnzimmer, da vorne die Küche, daneben das Esszimmer. Das Gästeklo ist hier links. Oben sind die Schlafräume
und das Badezimmer. In der Mansarde hat |126| meine Tante ihr Arbeitszimmer.« Er öffnete die Tür zur Küche, machte Licht, nahm eine Schüssel aus dem Schrank und gab Charlie
Wasser.
Über die Küche staunte ich noch mehr als über den Flur. Hochmoderne Geräte, exklusive Möbel, teuer und gut.
»Du bist dir sicher, dass wir im richtigen Haus sind?«, fragte ich verwundert.
Robert lachte. »Der Schlüssel passte doch. Wieso?«
»Ich habe etwas anderes erwartet.«
»Meine Tante hat das Haus von meinen Großeltern geerbt, vor vier Jahren. Sie hat es modernisiert.« Er ging in das angrenzende
Esszimmer, machte auch dort Licht. Statt eines Kronleuchters hing eine sehr moderne und ausgefallene Lampe von der Decke,
ein Glastisch stand in der Mitte des Raumes.
»Wow, sehr schick«, entfuhr mir.
»Meine Tante hat einen ausgefallenen Geschmack, sie ist Architektin. Und im Moment ist sie in Italien und arbeitet dort an
einem Projekt.«
»Wie alt ist sie?«
»Tante Margit ist dreiundvierzig. Zwei Jahre jünger als ich.« Er sah meinen Blick und lachte. »Sie ist die Schwester meiner
Mutter. Eigentlich die Halbschwester, mein Großvater hatte ein zweites Mal geheiratet. Eine komplizierte Familiengeschichte,
ich will dich damit nicht langweilen.«
»Das erklärt einiges. Familiengeschichten können sehr spannend sein.« Ich schaute mich um, sah zu Charlie, er wirkte unruhig.
»Du kannst mir gleich von deiner Familie erzählen, aber erst einmal muss der Hund wohl raus.«
»Wenn du die Straße hinuntergehst, kommst du zu einem kleinen Park. Aber merk dir die Hausnummer«, sagte Robert lächelnd.
Es duftete nach Frühling, eine Ahnung von dem kommenden Sommer lag in der Luft. Ich ging durch den kleinen Park, ging und
ging, kehrte irgendwann um. Jeden Gedanken an Martin versuchte ich mir zu verbieten, und doch kochten die |127| Eifersucht und Wut, die Enttäuschung und auch die Hoffnungslosigkeit immer wieder in mir hoch. War es ein Fehler gewesen,
nicht mit zu ihm zu fahren? Hätten wir so nicht die Gelegenheit zu einer längeren Aussprache gehabt? Die Vogel-Strauß-Taktik
war nicht dazu angetan, Probleme zu lösen, eigentlich wurde dadurch alles nur schlimmer. Ich überließ Maria kampflos den Boden.
Stattdessen war ich hier, irgendwo in Köln, bei einem Mann, den ich nicht kannte. Ich fühlte mich versucht, mein Handy zu
nehmen und Martin anzurufen, aber tat es nicht. Wenn er mich wirklich bei sich haben wollte, hätte er sich melden können.
Trotzig bin ich, dachte ich, wie ein vierjähriges Kind. Dann drehte ich um.
Ich schellte, nachdem ich zweimal die Hausnummer überprüft hatte, Robert öffnete die Tür. Köstlicher Duft kam mir entgegen.
Rosmarin und Zwiebeln, etwas Exotisches, was ich nicht einordnen konnte.
»Hast du Essen bestellt?«
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