Lohn des Todes
Betriebsamkeit. Wir waren die Ersten in
unserem Besprechungszimmer. Die Luft roch abgestanden und nach feuchten Socken. Über den Linoleumboden zogen sich Schlieren,
es war gewischt worden.
Robert öffnete die Fenster. Wir hatten nicht viel miteinander geredet, vermieden es, uns anzusehen. Julius und Thorsten kamen,
brachten Berichte mit.
»Wir warten nicht auf Martin und Andreas«, beschloss Robert. »Habt ihr etwas Neues?«
»Frau Hoffmann hatte laut Aussage ihrer Schwägerin eine geerbte Münzsammlung. In der Aufstellung der Kollegen aus Flensburg
war sie nicht enthalten. Wir versuchen, Kontakt zu den Kollegen herzustellen, die damals in der Wohnung |142| waren.« Julius legte den Bericht auf den Tisch. »Wir haben also zwei Möglichkeiten: Der Täter hat die Münzsammlung mitgehen
lassen, und es wurde nicht protokolliert, oder sie war noch da, wurde aber nicht aufgelistet. In dem Bericht von damals steht,
dass nichts gestohlen wurde, soweit man es überprüfen konnte. Die Schwägerin war zu dem Zeitpunkt im Ausland, wir haben sie
erst jetzt ausfindig gemacht und befragt. Möglicherweise wurde der Raub übersehen.«
»Das ist ja ein Ding, somit hätten wir hier den Faden, der alles zusammenhält.« Robert rieb sich über das Kinn. »Es geht also
wahrscheinlich um Münzen.«
»Die Schwägerin sagte allerdings, dass sich Frau Hoffmann nicht sonderlich für die Münzen interessiert hätte. Es war nur das
Erbe des Vaters. Sie konnte sich aber an die Sammlung erinnern, weil sie ein Streitobjekt bei der Scheidung waren.«
»Vielleicht hat Frau Hoffmann versucht, die Sammlung zu verkaufen«, warf Thorsten ein. »Eine Anzeige in einschlägigen Zeitschriften
oder Ähnliches. Und so ist der Täter auf sie aufmerksam geworden. Wir konnten bisher nicht feststellen, ob Münzen bei Herrn
Mueskens fehlen. Das wird noch überprüft. Ansonsten gab es kaum brauchbare Spuren in seinem Haus.«
»Bei Sonja Kluge sind wir noch nicht weitergekommen. Der Vater ist nicht zu erreichen. Ich versuche es gleich noch mal bei
seinem Arbeitgeber«, sagte Julius.
Mir fiel das Telefonat mit Rainer Kluge am Samstagabend ein. Es war erst drei Tage her, doch mir erschien es viel länger.
Kluge wollte sich bei mir melden, hatte das aber noch nicht getan. Das Gespräch hatte ein merkwürdiges Gefühl in mir hinterlassen,
aber ich wusste nicht genau, wieso.
»Wir müssen in Richtung Sammler recherchieren. Welche Plattformen nutzen sie, um welche Werte geht es hier?« Robert stieß
die Luft aus. »Ich habe davon überhaupt keine Ahnung.«
»Dann mach dich schlau. Ich muss wieder rüber, komm aber nachher noch mal.« Julius stand auf, nickte uns zu. »Ach |143| ja, eines noch: Die Fünfmarkstücke hatten keinen besonderen Wert.«
Also waren es nicht die Geldstücke an sich, sondern das, was sie symbolisierten. Doch was konnte das sein? Fünfmarkstücke.
Mein Vater nannte sie immer »Heiermann«, meine Schwester und ich bekamen des Öfteren einen »Heiermann« als Belohnung oder
als Geschenk von meiner Oma. Wollte unser Täter die Opfer belohnen? Doch wofür? Für ihren Tod? Weil der Täter damit sein Fetisch
und seinen Trieb auslebte? Der Gedanke gefiel mir nicht, die Bedeutung musste wo anders liegen. Immer noch wussten wir viel
zu wenig über den Täter. Ich nahm die Mappe mit den Fotos.
»Machst du dich an die Tathergangsanalyse?«, fragte Robert.
»Ich versuche es zumindest. Martin wäre hilfreich, er könnte mir Details zu den Verletzungen sagen. Andererseits …« Ich grinste
schief.
»Vielleicht ist es besser, wenn ihr momentan nicht aufeinandertrefft. Ich werde mich mit Münzen und Sammlern beschäftigen.
Erstmal über das Internet und durch einige Kontakte, die ich habe. Das mache ich vom Haus meiner Tante aus. Wenn du willst,
kannst du mitkommen und auch dort arbeiten.«
Ich sah Robert an, überlegte. Doch bevor ich eine Entscheidung treffen konnte, klingelte mein Handy. Es war die Mutter des
Jungen, den ich betreute. Sie klang verzweifelt, das Kind hatte einen schweren Rückschlag erlitten. Ich beruhigte sie und
versprach, so schnell wie möglich zu kommen.
»Es tut mir leid, aber ich muss nach Aachen. Ein Notfall.«
»Schlimm?« Robert sah mich nachdenklich an.
»Ein Junge, der dachte, er hätte nach langen Jahren endlich den Krebs besiegt. Und nun wurde ein Tumor im Gehirn festgestellt.
Es gibt kaum Hoffnung.«
»Das ist grausam. Kannst du ihm helfen?«
»Ich kann für ihn
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