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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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fuhr zu meinem Kinn. Die Schmerzen, die sie erlitten hatte, zusätzlich zur seelischen Pein,
     mochte ich mir nicht vorstellen.
    »Er hat sie also unterschiedlich behandelt, und du meinst, weil sie für ihn nicht nur Opfer zwei und drei waren, sondern jedes
     Opfer für sich eine bestimmte Bedeutung hatte?«
    »Ja, das meine ich. Nun gilt es nur herauszufinden, welche. |137| Sie sind bestraft worden. Aber wofür? Der Mann wurde geschlagen, auf die Hände, seine Fingerknochen waren gebrochen und die
     Handflächen aufgerissen, und auf das Gesäß. Wen schlägt man auf die Hände? Jemanden, der etwas Verbotenes angefasst hat. Auf
     das Gesäß? Das war früher gängig – er hat den Hintern versohlt bekommen. So sieht das zumindest für mich aus.« Ich holte tief
     Luft. »Aber bei dem Mädchen war das anders. Sie wurde vergewaltigt und erniedrigt. Im Obduktionsbericht steht, dass Kot- und
     Urinspuren auf ihrem Bauch und ihrem Gesicht gefunden wurden. Was sagt das aus?«
    »›Ich scheiß auf dich‹ – meinst du?« Robert kniff die Augen zusammen. »Wie entsetz …« In diesem Moment klingelte sein Handy.
     Erstaunt griff Robert danach, schaute auf das Display, zuckte dann mit den Schultern.
    »Kemper«, meldete er sich. Er sah mich an. »Ja, sie ist hier.« Dann reichte er mir das Handy.
    Ich nahm es nur zögernd. »Ja?«
    »Conny?« Es war Martin.
    »Ja, ist etwas passiert?«
    »Wo bist du?«
    Robert sah mich nachdenklich an, stand auf, ging dann in die Küche.
    »Wieso willst du das wissen?«, fragte ich und spürte, dass ich ärgerlich wurde.
    »Du bist nicht ans Telefon gegangen, nicht in Aachen und auch nicht an dein Handy. Wo bist du?« Er verschliff die Silben,
     atmete schwer. Ich war mir sicher, dass er betrunken war.
    »Es ist spät, Martin. Zu spät für so ein Gespräch.«
    »Ich will doch nur wissen, wo du bist und ob es dir gut geht.«
    Das fällt dir ja früh ein, dachte ich wütend. »Mir geht es gut«, zwang ich mich zu sagen.
    »Bitte, komm hierher. Zu mir.«
    »Was soll das bringen?«
    |138| »Ich will mit dir reden. Du kannst mich doch nicht einfach so aus deinem Leben schubsen.« Nun klang er weinerlich.
    »Du hast getrunken«, stellte ich fest.
    »Ja. Manchmal hilft das. Diesmal nicht. Ich vermisse dich, Conny.«
    Ich stand auf, lief durch den Raum, versuchte, meine Wut im Griff zu halten. »Du vermisst mich? Plötzlich?«
    »Du bist bei Robert, oder? Dein Wagen steht noch vor dem Präsidium.«
    »Martin, leg dich ins Bett und schlaf deinen Rausch aus.«
    Er schwieg. Ich hörte seinen Atem. Dann schluckte er, trank etwas. »Conny … Bitte …«
    Ich atmete tief ein. »Martin, jetzt ist sicher nicht der richtige Zeitpunkt für so ein Gespräch. Lass uns morgen reden.«
    »Was machst du bei Kemper? Lässt du dich durchvögeln?« Seine Stimme wurde lauter.
    »Martin!« Ich biss mir auf die Lippe. Eine Menge Vorwürfe schlichen sich in meinen Kopf. Sie jetzt auszusprechen war falsch,
     das wusste ich. Die Worte hätten zugeschlagen wie Raubvögel, Wunden gerissen, am Inneren des anderen genagt. Einmal ausgesprochen,
     ließen sie sich nicht mehr einfangen und zurückholen.
    »Ich habe recht, oder? Du hast nur auf die Gelegenheit gewartet, mit einem anderen Mann ins Bett zu gehen. Ist er besser als
     ich? Kann er Kinder zeugen?« Martin klang bissig, aber ich hörte seine Verletzungen heraus.
    »Bitte lass uns morgen reden.«
    »Ach ja? Habe ich so sehr gestört? Habe ich euch etwa unterbrochen?« Er lachte, es klang nicht lustig.
    »Martin, bitte.«
    »Du Schlampe, kaum gibt es Probleme, suchst du dir einen anderen.«
    Nun lief das Fass über.
    »Wer hat sich eine andere gesucht, als es schwierig wurde? Das warst ja wohl du. Du hast Maria gevögelt, obwohl ich nebenan
     im Bett lag. Du hast mich betrogen, vermutlich |139| schon seit Monaten. Ich war traumatisiert, und du Jammerlappen musstest dich trösten. Und jetzt rufst du mich an und heulst.
     Wo ist sie denn, deine Geliebte? Warum bist du nicht bei ihr?« Ich schnaufte vor Wut.
    »Wo Maria ist, geht dich nichts an.«
    »Stimmt«, sagte ich und legte auf. Dann setzte ich mich wieder an den Tisch, legte meinen Kopf auf die Glasplatte. Tränen
     füllten meine Augen. »Scheiße«, murmelte ich. Die Wut und der Zorn lagen wie glühende Kohlen in meinem Magen. Wie konnte Martin
     mir Betrug vorwerfen? Wie konnte er mich beschuldigen? Er ist betrunken, machte ich mir klar, und trotzdem tat es weh. Charlie
     kam zu mir, legte seinen Kopf auf meine

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