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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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hatte zwar schon ein wenig Trinkgeld gegeben, aber nun öffnete ich meine Börse erneut, suchte nach Kleingeld, fand aber
     nur Centstücke. Schließlich nahm ich einen Fünf-Euro-Schein und legte ihn auf den Tisch, dann ging ich.
    Fünf Euro, das waren mal zehn Mark, dachte ich. Soviel Trinkgeld hättest du früher in so einer Situation nie gegeben, höchstens
     fünf Mark. Trinkgeld. Der Gedanke blieb in meinem Kopf hängen. Trinkgeld, Blutzoll, Bezahlung. Die Toten mussten für etwas
     bezahlen. Sie beglichen mit ihrem Tod eine Schuld, und der Täter entlohnte sie gleichsam dafür, indem er ihnen Fünfmarkstücke
     beilegte. Vielleicht für etwas, was sie früher getan hatten? Zu einer Zeit, als die Mark noch Währung war? Das Geld war kein
     Fetisch, sondern ein Symbol? Ich wischte mir über die Stirn.
    Du bist übermüdet, Conny, deine Gedanken sind wirr. Ich ließ Charlie in meinen Wagen einsteigen, schloss die Tür und lehnte
     mich dann an die Karosserie. Ich war auf dem Holzweg, irgendwo war ich falsch abgekommen und hatte mich verlaufen. Die Lösung
     lag sicherlich direkt vor meiner Nase, ich sah sie nur nicht. Entnervt ging ich um das Auto herum, stieg ein und fuhr los.
     Die Straßen hatten sich gefüllt, nur stockend kam ich voran.
    Für die Aktennotiz musste es einen Grund geben. Ich fuhr den Ring entlang, Templergraben, Karlsgraben. Am Alexianergraben
     stand ein LKW auf der rechten Spur und entlud etwas. Die Psychiatrie war nur wenige Meter entfernt. Jutta, dachte ich und
     suchte mir einen Parkplatz. Ich hatte Glück, sie war im Dienst.
    »Gleich ist Visite.« Sie sah gestresst aus.
    |225| »Ich will dich nicht lange stören, aber ich habe eine Aktennotiz gefunden, die ich nicht verstehe.«
    Ich zeigte ihr den Zettel.
    »Einundfünfzig ist das Kürzel für Jugendamt. Seltsam.« Jutta nahm den Zettel, drehte ihn hin und her, aber es stand nichts
     weiter darauf. »Ich habe die Akte nur überflogen, aber vom Jugendamt höre ich das erste Mal. Es gab keinen Grund, der elterlichen
     Sorge zu misstrauen, im Gegenteil. Die Mutter war überfürsorglich. Das war kontraproduktiv, aber sie hat ihre Tochter stationär
     aufnehmen und somit losgelassen … das Jugendamt war nicht vonnöten. Ich kann ja nachher noch mal genauer schauen, vielleicht
     finde ich in den Verwaltungsakten etwas dazu. Aber jetzt muss ich zur Visite.«
    Obwohl ich nicht wirklich damit gerechnet hatte, dass Jutta mir die Notiz erklären konnte, war ich doch enttäuscht. Ich fuhr
     nach Hause. Die Wohnung war ausgekühlt, deshalb stellte ich die Heizung an, lief unglücklich durch die Räume, fand nichts
     mit mir anzufangen. Schließlich nahm ich den Hund und ging in meine Praxis am Neumarkt.
    Dort blinkte das rote Licht des Anrufbeantworters. Es ging um die Scheidungsfälle, die ich übernehmen sollte. Ich schrieb
     die Telefonnummern auf, legte den Zettel beiseite. Dann machte ich meinen Computer an. Ein wenig wahllos gab ich Begriffe
     ein. Blieb schließlich bei freien Kinderheimen hängen. Es gab staatliche und kirchliche Kinderheime. Und ganz wenige ohne
     Träger. Hatte Robert nicht gesagt, dass der Mann von Agnes Koschinski ein freies Kinderheim geleitet hatte? Ich googelte danach,
     fand nur zwei Einträge. Einer davon führte auf eine Domänenseite, der Name war frei und noch zu vergeben.
    Der andere schon Jahre alt und gab nur die Adresse und Telefonnummer an.
    Zu Arenberg existierten über sechstausend Einträge. Aber Arenberg, so erfuhr ich nach einem Klick auf Google Maps, lag an
     der Grenze zu Österreich bei Salzburg und hatte mit Aremberg nichts zu tun. Ich schloss das Fenster am Computer, gab |226| den Namen »Koschinski« ein. Einundvierzigtausend Einträge, aber ich las nur die ersten zehn Seiten. Auch mit der erweiterten
     Suche kam ich nicht weiter. Das war eine Sackgasse.
    Wieder nahm ich die Aktennotiz zu Hand. Es war die Vorwahl von Bonn. Was hatte das Jugendamt in Bonn mit einer Familie aus
     Aachen zu tun? Vermutlich gar nichts, und die Notiz stammte aus einer anderen Akte. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte
     ich und wählte die Nummer.
    »Amt für Kinder, Jugend und Familien. Schneider.« Eine weibliche Stimme.
    »Van Aken. Wo genau bin ich gelandet? Ich hätte gerne Herrn oder Frau Kessing gesprochen.«
    »Hier ist das Jugendamt der Stadt Bonn. In welcher Angelegenheit wollen Sie Herrn Kessing sprechen?«
    Ich zögerte kurz. Wie sollte ich es erklären? Dann nannte ich das Aktenzeichen. Ich hörte

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