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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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auf der Autobahn einzureihen, und wählte den langsameren, aber auch schöneren Weg durch die Eifel. Mein Radio
     hatte nach »Frings Haus« kaum Empfang, deshalb schob ich eine CD ein und sang mit. Der Himmel war klar, die Sonne schien,
     und ich fühlte mich gut. Charlie hatte sich brummend im Fußraum des Beifahrerplatzes zusammengerollt. Ich versprach ihm einen
     langen Spaziergang in Aremberg.
    Nach Schleiden fuhr ich in Richtung Blankenheim. In Lummersdorf war die Straße nach Aremberg gesperrt. Wie überall wurde auch
     hier ein großer Kreisel gebaut. Ich warf einen kurzen Blick auf die Karte und drehte dann Richtung Eichenbach. Da ich fast
     allein auf der Straße war, genoss ich die Kurven, das Auf und Ab der Straße und die herrlichen Wälder und Wiesen. Hier war
     es viel ländlicher als in Hechelscheid. Kein Rursee lockte Scharen von Touristen. Im Ort musste ich das Tempo verringern.
     Wunderschöne Fachwerkhäuser begrenzten die enge Straße. Ich fuhr aus dem Ort heraus, über eine Brücke und vorbei an einem
     Gasthof mit Forellenzucht und Biergarten. War das der Hof, den Mueskens geführt hatte? War er hier ermordet worden? Alles
     wirkte friedlich und ruhig, nichts deutete daraufhin, dass der Tod hier eingefallen und grausam |232| gewütet hatte. Aber vermutlich war Mueskens nicht hier gefoltert und umgebracht worden. Ich überquerte eine Brücke, von hier
     an führte die Straße steil nach Aremberg hinauf, und ich gab Gas. Eine enge Spitzkurve zwang mich dazu, zu bremsen und in
     den zweiten Gang zu schalten. Etwas rumpelte. Hinten rechts, der verdammte Reifen, dachte ich noch und umklammerte das Lenkrad.
     Der Wagen brach aus, schleuderte herum. Heftig stieß ich mir den Kopf an der Seitenscheibe. Dann wurde alles schwarz.
    »Hören Sie mich? Hallo?« Jemand tätschelte meine Wange, ich hörte die freundliche Frauenstimme wie durch Watte. »Können Sie
     mich hören? Sprechen Sie mit mir.«
    Blinzelnd versuchte ich, die Augen zu öffnen. Kleine Lichtpunkte nahmen mir die Sicht. So ist das also, wenn man Sterne sieht,
     dachte ich verwundert. Als ich versuchte, den Kopf zu schütteln, um klar zu werden, durchfuhr mich ein heftiger Schmerz. Ich
     schaffte es, meine Augen zu öffnen. Verschwommen sah ich eine Hand an mir vorbeigreifen und den Schlüssel drehen. Der Motor
     erstarb. Dann griff die Frau nach meinem linken Arm, suchte den Puls. Charlie knurrte leise.
    »Können Sie mich hören? Haben Sie Schmerzen?«
    Ich wollte antworten, schaffte es jedoch nicht. Noch immer nahm ich alles wie durch Nebel wahr.
    »Der Puls ist vorhanden, Atmung stabil. Hier ist ein Hund im Wagen. Sicher erst einmal ab, dann schauen wir weiter«, rief
     sie immer noch freundlich, aber bestimmt jemandem zu. »Hallo? Hören Sie mich? Ist der Hund gefährlich?«
    Charlie, dachte ich entsetzt, ist er verletzt? Ich schaffte es, endlich aus der Wolke der Benommenheit aufzutauchen, und konnte
     den Blick wieder fokussieren. Vor meinem Wagen, eigentlich schon über der Motorhaube, prangte ein schwarzer Mercedes-Stern,
     links davon war ein rotes Kreuz in einem weißen Kreis, beides auf einem tarnfarbenen Kühlergrill, breiter als die Motorhaube
     meines Golfs. Links und rechts blinkten synchron zwei gelbe Lichter, und für einen Moment hatte ich wieder das Gefühl, Sterne
     zu sehen. Eine Maulkupplung, mittig |233| zwischen zwei fast eckig wirkenden Scheinwerfern, eingebettet in eine massige Stoßstange schien mich wie die Augen eines großen
     Tieres bedrohlich anzustarren.
    »Grundgütiger«, murmelte ich entsetzt.
    »Haben Sie Schmerzen? Können Sie sich bewegen?«
    Ich fühlte in mich hinein, ein Druck lastete auf meiner Brust, und ich bekam kaum Luft. Automatisch, wie ferngesteuert, tastete
     ich nach der Arretierung des Sicherheitsgurts und löste sie. Augenblicklich wich der Druck von meinem Brustkorb. Befreit schöpfte
     ich Atem.
    Die Frau legte wieder die Hand auf meine Schulter. »Bitte bleiben Sie noch sitzen.«
    Charlie knurrte erneut, ein dumpfes Grollen, tief aus seiner Kehle.
    »Ist der Hund gefährlich?«
    »Ruhig, Charlie«, schaffte ich zu sagen. Ich wandte den Kopf nach rechts. Mein Hund lag immer noch zusammengerollt im Fußraum,
     schien nicht verletzt zu sein, hielt seinen Blick aber wachsam auf mich und die Frau gerichtet.
    »Alles ist gut, Charlie«, murmelte ich und versuchte auch mich davon zu überzeugen. Mein Herz pochte unbändig, ein dicker
     Kloß saß in meinem Hals, und Adrenalin schoss auf

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