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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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sie auf der Geburtsurkunde stand, war schlicht Nachlässigkeit.«
    »So schaut es aus. Martin vergleicht Material aus Kluges Wohnung, aber das dauert.«
    »Es ist mühsam?«
    »Es ist grauenvoll frustrierend, Conny. Zu gerne wäre ich jetzt bei dir in Hechelscheid vor dem Kamin mit einem Glas Wein.
     Das wäre der richtige Ausklang für das Wochenende. Stattdessen bin ich in einem Gasthof bei Aremberg. Das Bett ist durchgelegen,
     und der Handyempfang funktioniert nur, wenn ich am Fenster stehe. Die Aussicht auf den Berg und die Landschaft ist natürlich
     grandios, aber inzwischen ist es dunkel. So dunkel, wie es in Köln oder Wiesbaden niemals sein wird.«
    »Du bist nicht in Köln?«
    »Nein. Wir sind in Aremberg. Julius, Thorsten und ich. Seit heute Mittag. Es gibt Neuigkeiten.«
    |220| Ich hielt den Atem an, während er stockte.
    »Frau Koschinski hat hier gelebt, wir wussten bislang nicht, was sie hier gemacht hat. Jetzt wissen wir es.« Er hielt inne.
    »Sagst du mir auch was, oder kommt erst noch der Werbeblock? Mensch, Robert!«, fauchte ich.
    »Ich denke die ganze Zeit darüber nach, ob es eine Bedeutung für den Fall hat, komme aber auf kein Ergebnis. Agnes Koschinski,
     geborene Steiner, hatte jahrelang eine Liaison mit Adolf Koschinski. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er Agnes und
     zog mit ihr in die Pfalz.«
    »Sie war seine Geliebte?«
    »Anscheinend über Jahre.«
    »Wenn ich mich recht erinnere, ist der Mann dement und kann nicht mehr befragt werden?«
    »Inzwischen ist er tot. Er starb nur wenige Wochen nach ihr im Pflegeheim.«
    »Zu blöd. Vielleicht hätte er einen Zusammenhang herstellen können.« Ich rieb mir über die Stirn.
    »Die Liaison war bekannt. Vermutlich wusste auch Koschinskis Frau davon und hat es toleriert. Sie war sehr krank. Krebs.«
    »Das ist wahres Dorfleben. Jeder weiß alles vom Nachbarn und das noch Jahrzehnte später.« Ich schnaubte belustigt auf. »Ich
     sollte mir überlegen, ob ich das Haus hier halte.«
    »Du bist neu in Hechelscheid und wirst es für die nächsten zehn Jahre bleiben. Das erspart dir nicht die Anteilnahme an deinem
     Leben. Für eventuelle Ermittlungen im Fall deines plötzlichen Ablebens wäre es von Vorteil.« Er lachte.
    Mein Mund wurde trocken, und die Erinnerungen an den letzten Herbst kamen zurück. »Manchmal übersehen die Einheimischen aber
     auch schreckliche Dinge«, sagte ich heiser.
    Robert schwieg. Ich hörte seinen Atem. »Es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht. Wirklich … das war sehr dumm von mir.«
    Ich wusste nicht, was ich antworten sollte, brauchte dringend eine Pause. »Warte, ich hole mir eben etwas zu trinken.« |221| Ich legte das Handy auf den Tisch, schürte das Feuer, ging in die Küche. Im Kühlschrank war Weißwein. Ich schenkte mir ein,
     ging langsam ins Wohnzimmer zurück. Inzwischen hatten sich meine Nerven beruhigt. Trotzdem ließ ich Robert noch einen Moment
     schmoren. Ich holte Kerzen, zündete sie an, machte es mir auf dem Sofa gemütlich und nahm dann das Telefon wieder zur Hand.
    »So, da bin ich wieder.«
    »Was hast du dir zu trinken geholt?« Seine Stimme klang samtweich nach Versöhnung.
    »Weißwein.« Ich lächelte. Robert war ein angenehmer Zeitgenosse, er bemühte sich.
    »Ich habe ein Bier. Flasche. Lauwarm. Es ist mein erstes …« Zwischen den Zeilen zu lesen fiel mir nicht schwer. Ich wusste,
     er wartete nur auf ein Wort und würde hierher kommen. Einerseits hätte ich mich gefreut, andererseits hatte ich Angst, wohin
     es führen würde.
    »Prost«, sagte ich und trank einen Schluck.
    Robert atmete hörbar aus. »Na denn, Prost.«
    »Was habt ihr denn noch herausgefunden?« Ich wollte das Gespräch noch nicht beenden.
    »Nicht viel. Adolf Koschinski war der Leiter eines privaten Kinderheims in Aremberg. Er hat es über Jahre geleitet, war nett
     und unauffällig, pflegte seine kranke Frau und ging mit seiner Geliebten essen.«
    »Ein ganz normaler Mann also.« Ich lachte bitter.
    »Nicht alle Männer sind so, Conny.«
    »Mag sein.« Ich trank noch einen Schluck Wein, spürte die Müdigkeit in meinen überbeanspruchten Beinen. »Heute bin ich definitiv
     zu viel und zu lange bergauf gelaufen. Mir tut alles weh, und das Bett ruft.«
    »Wir sprechen uns morgen. Schlaf gut.« Er legte auf.
    Ich hielt den Hörer in der Hand und überlegte. Sollte ich Martin anrufen oder nicht? Martin hatte bisher nicht versucht, mich
     zu erreichen. Eigentlich wäre er in der Bringschuld. Ich hasste

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